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Oper konzertant. Nina Stemme (Kundry) und Stuart Skelton (Parsifal), Simon Rattle dirigiert die Berliner Philharmoniker.

© Monika Rittershaus

Wagner konzertant: Erlösung dem Erlöser

Von Baden-Baden nach Berlin: Simon Rattle dirigiert „Parsifal“ in der Philharmonie.

Wenn die Philharmoniker zu Ostern Oper an der Oos spielen, erreicht Berlin immer ein starker Nachklang. Was sich in Baden-Baden szenisch runden muss, darf in der heimischen Philharmonie allein auf musikalische Kräfte vertrauen. Was bei diesem „Parsifal“, Simon Rattles letzter Opernproduktion als Philharmoniker-Chef, noch dazu kommt: Für die beiden konzertanten Aufführungen gibt es eine intensiver leuchtende Besetzung, die für zeitraubende szenische Unterweisungen so nicht zu haben war.

Das alles nährt die Vorfreude auf diesen „Parsifal“ in einem Raum, der dem Hören kaum Grenzen setzt, von den Musikerinnen und Musikern aber noch einmal hörbar Umdenken einfordert. Was in den Weiten des Festspielhauses achtsam musiziert erscheint, kann an den Hängen von Scharouns Weinbergterrassen recht robust wirken. Hinzu kommt, dass man hier sehen kann, wie Wagners Wunderklänge angemischt werden – ein Vorgang, den der Meister in Bayreuth unbedingt unterm Orchesterdeckel halten wollte. Es hätte ihn sicher auch geschmerzt, in welchen seltsamen Bühnenbekleidungen sich die Sänger aufs Parkett wagen und verlegen leise wieder abgehen.

Simon Rattle überrascht mit getragenem Dirigierfluss und dunklem Klang, dem Helligkeit nur als ferner Schimmer bekannt ist. Die Verwandlungsmusik im ersten Aufzug etwa versieht er mit schwerem, pastösem Strich und erreicht Lautstärkegrade, die Ohren zuklappen lassen. Sollten sich darin Zweifel an der Gralsrittergemeinde artikulieren? Eher wirkt Rattles Zugriff so beherzt kernig, um keinerlei Fragen aufkommen zu lassen nach dem, was im „Parsifal“ als Bühnenweihfestspiel behauptet wird. Der auf Emporen hoch über dem Saal verteilte Rundfunkchor klingt beim Liebesmahl nicht immer, als sei er ganz bei Leibeskräften.

Ein großer Gurnemanz, eine würdevolle Kundry

Ob eine „Parsifal“-Aufführung ins Erzählen kommt, hängt unmittelbar vom Interpreten des Gurnemanz ab. Franz-Josef Selig ist für die Rolle des alten Helden, der alles gesehen hat und dem alles geweissagt wurde, eine Idealbesetzung. Der Nuancenreichtum seiner Artikulation lässt die ellenlangen Berichte nie fad oder belehrend werden, sein Zartgefühl für die Handelnden dieses abgekarteten Leidespanoramas scheint schier unendlich. Stuart Skelton, nur in Berlin als Parsifal zu hören, bedient sich aus dem weitgefassten Fundus von kindlichen Tränen, pubertärer Aufwallung bis hin zum hermetisch Heldischen. Dabei gelingen ihm feine Findungen, die sich aber nicht zu einer echten Charakterzeichnung fügen, weil die Übergänge brachial und eben keine Wagner-Kunst sind.

Auch Nina Stemme ist nur in der Philharmonie dabei, eine Sängerin, die genügend Isolden durchlitten hat, um zu wissen, woher Kundrys Schmerz rühren könnte. Eine überlegene, würdevolle Darstellung, bei der der Klingsor von Evgeny Nikitin blass aussieht, weil er zwar finster schaut, seine Diktion aber nie waffenscharf wird. Gerald Finley gelingt ein berührend menschlich leidender Amfortas, als einziger Sänger vergisst er auch die Zuhörer in seinem Rücken nicht.

Und Rattle? Sein Dirigat nimmt dem „Parsifal“ die Aura des Singulären, reiht ihn ein in den Sound von Wagners Musikdramen, schafft kraftvolle Querverweise. Letzte Dinge meidet der scheidende Chef. Er ist eben kein Claudio Abbado, der „Parsifal“ auch kurz vor Ende seiner Berliner Zeit dirigierte.

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