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Der israelische Beitrag hat sich für das Finale am Sonnabend qualifiziert.

© imago/Pixsell/IMAGO/Sanjin Strukic/PIXSELL

Eurovision Song Contest: Wofür ist er noch gut?

Am Samstag steigt wieder der jährliche Eurovisions-Wettbewerb, zum 67. Mal in seiner Geschichte. Was er uns heute noch bringt, sagen drei Expertinnen und Experten.

Der Eurovision Song Contest, abgekürzt ESC, ist seit jeher ein europäisches Ereignis, obwohl längst nicht mehr nur europäische Länder an dem Wettbewerb teilnehmen. In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, warum er noch sinnvoll ist. (Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Der ESC kann ein Beispiel für internationale Verständigung sein

Ursprünglich 1956 als völkerverbindende Maßnahme begründet, damit sich die früher verfeindeten Nationen Europas auch auf dem Gebiet der musikalischen Unterhaltung näher kamen, wurde der ESC oder Grand Prix zum größten Fernsehmusikereignis der Welt, mit über 200 Millionen Zuschauern in über vierzig Ländern, und er kann auch in politisch schwierigen Zeiten immer noch ein wunderbares Beispiel für internationale Verständigung sein, bei Künstlern, Funktionären, Fans und exemplarisch auch unter meinen Kollegen, den Kommentatoren.

Das harmonische Miteinander ist kein Klischee, der ESC steht für Offenheit, Toleranz, Verständnis und gegenseitigen Respekt. Musik und der ESC können keine Kriege beenden, aber sie können anklagen, trösten, aufmuntern, moralisch unterstützen und heilen - und wenn eines Tages, hoffentlich bald, die grausame Aggression vorüber ist, kann auch der ESC wieder unbeschwert jubeln und feiern.


Der ESC zeigt die Qualitäten queerer Ästhetik

Die serbische Flagge neben den hellblau-rosa-weißen Streifen der trans Bewegung – wahrlich kein alltäglicher Anblick. Er bot sich diese Woche während des ersten Halbfinales des Eurovision Song Contest in der Liverpool Arena. Die Fans mit den Mini-Fahnen feuerten den offen schwulen Sänger Luke Black an, der es mit dem Song „Samo Mi Se Spava“ in die Finalrunde schaffte. Dass er für ein Land antritt, das nicht für Queerfreundlichkeit bekannt ist, spiegelt die emanzipatorische Kraft des ESC.

Er gehört neben der Pride Saison zu den hohen Feiertagen der LGBTIQ-Community, die den Wettbewerb über die Jahrzehnte maßgeblich geprägt hat: Glitter, Glamour, lustvolle Übertreibung – all das sind Kernqualitäten queerer Ästhetik. Auf den Riesenbühnen des ESC macht man damit einfach eine gute Figur. Viele Teilnehmende achten deshalb darauf, ihrer Performance einen gewissen Queerfaktor zu verleihen. Manchmal trägt Empowerment eben auch Glitzer-Make-Up, Turmfrisur und High Heels.


Der ESC ist sehr politisch

Die European Broadcasting Union (EBU) prahlt damit eine „unpolitische” Musiksendung über Millionen von Fernsehern zu senden. Musik stehe über Politik. Aber es ist sehr wohl politisch, wenn Schwule und Dragqueens gewinnen und die Türkei dies als Grund für ihren ESC-Boykott anführt. Oder als die Ukraine 2016 mit einem Lied über die illegale Annexion der Krim gewann und beim ESC 2017 die russische Kandidatin nicht ins Land ließ. Oder als die EBU den Portugiesen Salvador Sobral anwies, auf seinen „SOS Refugees”-Pullover zu verzichten.

Oder als Aserbaidschan, berüchtigt für seinen Mangel an Demokratie, 2012 alle verhörte, die für den armenischen Song gestimmt hatten. Der ESC ist politisch, weil die Staaten sich selbst vermarkten. Wir erinnern uns nicht an Serbien, wir erinnern uns an das queere ESC-Marketing des queerfeindlichen Serbiens. Während die EBU versucht, politische Kontroversen zu vermeiden, ist der ESC nicht weniger unpolitisch. Sondern so politisch, wie es ein Wettbewerb von bis zu 51 Nationalstaaten nur sein kann.

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