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Flatternde Fingerspitzen. Der preisgekrönte Dirigent Constantinos Carydis.

© Deutsches Kammerorchester

Constantinos Carydis dirigiert das DSO: Facetten der Liebe

Ein pralles Vergnügen: Der Grieche Constantinos Carydis dirigiert das Deutsche Symphonie-Orchester. Als Solistin tritt Midori auf.

Ives, Bernstein, de Falla – nicht gerade als sinfonische Hitliste liest sich das Programm, mit dem Constantinos Carydis beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin gastiert. Ein richtiger Knaller mit Tiefgang scheint zu fehlen. Doch zusammen mit dem hochmotivierten Klangkörper kitzelt der griechische Dirigent, der bereits mit dem Carlos-Kleiber-Preis ausgezeichnet wurde und sich bisher vor allem im Opernfach hervortat, ein Höchstmaß an Farbenpracht und Emotionalität, auch an hoch präziser Komplexität noch aus der sprödesten Struktur heraus – sehr zur Begeisterung des Publikums in der Philharmonie.

Da ist zu Beginn „Hymn“, ein völlig unbekanntes Streicherstück von Charles Ives, dem „Vater der amerikanischen Moderne“, dessen Überlagerungen trivialster Motive verstörend neue Klanggewebe hervorbringen können. Viel sanfter, mit unmerklichem Raffinement, geht Ives in diesen Verrückungen einer Choralmelodie vor, von tonalen Anmutungen bis zum Cluster ungreifbar schwebend und viel zu schnell vorbei. Ein schöner Vorspruch zu Leonard Bernsteins „Serenade für Violine und Orchester“ von 1954, die in elaborierten Verkettungen und Fortspinnungen eines Grundmotivs ein breites Ausdrucksspektrum entfaltet und darin die Facetten der Liebe abzubilden sucht, die in Platons „Gastmahl“ verhandelt werden. Als diskrete „Erzählerin“ führt die Solistin Midori mit schlank-gespanntem Ton durch den ebenso gedankenreichen wie klangsinnlichen Prozess, fast einer „Sheherazade“ gleich. Diskussionen über körperliche und seelische Harmonie oder über das Streben nach der „verlorenen Hälfte“ bilden sich hier als temporeiche Rhythmen oder bezwingend weitgespannte Melodik ab – bis die Heerscharen des Alkibiades die weisen Reden des Sokrates jäh abbrechen, denen Dávid Adorjáns Cellosolo die klangvolle Stimme leiht.

Carydis zeigt noch die feinste Trillerbewegung an

Kaum zu glauben, dass Manuel de Fallas Ballettmusik „Der Dreispitz“ die beträchtliche Virtuosität, mit der diese Partitur belebt wird, noch in den Schatten zu stellen vermag. Mitnichten handelt es sich hier um tänzerisch aufbereitete Folklore. Mit klangsensiblen Schichtungen, die sich rhythmisch-dissonant auflösen oder zuspitzen können, steht der spanische Komponist 1919 Debussy oder Strawinsky nicht nach. Aus solistischer Transparenz formt Carydis das orchestrale Geschehen, zeigt ohne Taktstock mit flatternden Fingerspitzen noch die feinste Trillerbewegung an. Händeklatschen und Rufe der Musiker führen in das turbulent-ironische Geschehen um den lüsternen Landvogt, der der schönen Müllerin nachstellt, Sophie Harmsens kurze Liedeinlagen klingen von den Rängen wie Signale aus einer fernen Welt. Falk Maertens’ scharfe oder skurril näselnde Trompete benennt dramatische Abgründe, befeuert von rasantem Trommelwirbeln und Kastagnettenklappern. Grandios das hoch bewegliche Fagott der Karoline Zurl, mit simpelsten Melodiefetzen und schwarzen Basstönen den ungeliebten Landvogt verspottend. Ein pralles Vergnügen, mit Ernst auf seinen Hintersinn befragt.

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