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Kultur: Feindberührung

Fotos und Videos aus Israel im Jüdischen Museum

Wozu Farben mischen, wenn überall Blut ist? Wozu Geschichten erfinden, wenn die Realität unglaublicher ist als jede Fiktion? In Krisengebieten, scheint es, wird die Kunst zurückgeworfen aufs Dokumentarische. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelt im Jüdischen Museum derzeit die Ausstellung „Betrifft: Israel. Aktuelle Fotografie und Videokunst“, die von Kuratoren des Jewish Museum New York erarbeitet wurde.

Insgesamt 22 Künstler israelischer und nichtisraelischer Herkunft präsentieren ihre Sicht auf unterschiedlichste Facetten eines von Grausamkeit und Zerstörung, aber auch von notgedrungener Nähe geprägten Alltags. Und verlassen sich dabei vorwiegend auf die Kraft des Vorgefundenen: Die Fotografin Rina Castelnuovo etwa, die im Hauptberuf für die „New York Times“ tätig ist, dokumentiert in ihren Momentaufnahmen emotionale Kollateralschäden politischer Auseinandersetzungen, ähnlich wie der russischstämmige Pavel Wolberg, der Alltagsbegegnungen zwischen Angehörigen unterschiedlichster Lager einfängt. Catherine Yass aus London filmt in einer langen Kamerafahrt die Mauer ab, die das israelische Kernland vom Westjordanland trennt, die beiden Israelis Boaz Arad und Miki Kratsmann haben Pendlerströme abgelichtet, die auf ihren Arbeitswegen täglich aus dem Gazastreifen nach Israel ein- und wieder ausreisen.

Eine der eindrücklichsten Arbeiten ist das Video „Trembling Time“ von Yael Bartana: Am „Jom ha Zikanon“, dem Gedenktag für die gefallenen Soldaten, dokumentierte die Künstlerin eine stadtübergreifende Schweigeminute, indem sie das langsame Abbremsen, Anhalten und Wiederanfahren der Verkehrsströme auf der Autobahn filmte. Ein urbanes Schweigen, das lange nachhallt. Jens Mühling

Jüdisches Museum, Lindenstr. 9 – 14, bis 24. Februar, Katalog 29 Euro

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