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Kultur: Feine Steine im Kammermusiksaal

"Ich bin kein Grinser", hat Nikolaus Harnoncourt einmal über sich gesagt. Man hätte also ahnen können, wie der kantige Wiener Meister das Programm mit dem Chamber Orchestra of Europe im Kammermusiksaal der Philharmonie anpacken würde.

"Ich bin kein Grinser", hat Nikolaus Harnoncourt einmal über sich gesagt. Man hätte also ahnen können, wie der kantige Wiener Meister das Programm mit dem Chamber Orchestra of Europe im Kammermusiksaal der Philharmonie anpacken würde. Man muss kein Grinser sein, um den musikalischen Witz eines Joseph Haydn überzeugend über die Rampe zu bringen. Doch bei Harnoncourt kann einem das Lachen über die in die Partitur eingebaute Janitscharenmusik der "Militär"-Sinfonie mit ihrem Paukendonner und Triangelgerassel plötzlich im Halse stecken bleiben: Hier marschierten keine Zinnsoldaten auf; vielmehr konnte man nachvollziehen, worauf die in den bestechend klar und faszinierend sprechend musizierten Satz einbrechenden Töne Haydns Publikum erinnert haben müssen: an ganz reales Kriegsgetöse.

Die Sinfonie hätte den zweiten Programmpunkt, Béla Bartóks Divertimento für Streicher, erschlagen können. Doch dies musizierte das Orchester mit einer derartigen Konzentration, Spannung und Klangkultur, dass man schon nach wenigen Takten eine atemlose Aufmerksamkeit im Publikum spüren konnte. Und aus dieser Spannung wollte der Maestro die Zuhörer auch nach der Pause nicht entlassen, als die zweite Folge von Dvoráks Slawischen Tänzen auf dem Programm stand. Doch was bei Haydn und Bartók aufging, war hier dann doch zu viel des Guten. Zwar hörte man ungeahnte Feinheiten der brillanten Instrumentation. Doch Dvoraks Bemerkung, dass er diesen Tänzen "keinen Spaß und keine Ironie" gebe, hat Harnoncourt vielleicht doch etwas zu wörtlich genommen: mit so steinernen Gesichtern, wie es etwa die Interpretation des sibirischen Tanzes mit ihrem präzisen, aber schmelzlosen Streicherklang suggerierte, tanzt man wohl selbst im hohen Norden nur dann, wenn es wirklich kalt ist.

Doch am Ende war wohl niemand undankbar -"Grinser" kann man im Musikbetrieb schließlich mehr als genug erleben. Trotzdem: wäre es nicht auch schön gewesen, wenn der Maestro schon vor dem zu Recht begeisterten Schlussapplaus ein ganz kleines Lächeln auf sein Gesicht gezaubert hätte?

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