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Kultur: Festival der verbotenen Filme: Biedere Klassenkämpfer

Advent? Nein, das Ende des Advents.

Advent? Nein, das Ende des Advents. Genau vor 35 Jahren. Keine Erwartung mehr mitten in der Zeit der Erwartung. Es ging noch weiter, 24 Jahre. Aber es war schon vorbei.

"Am 15. Dezember 1965 entschied sich das Schicksal der ostdeutschen Moderne," formuliert Wolfgang Engler mit dem Furor des Sozialwissenschaftlers. Regisseure hätten es so gesagt: Am 15. Dezember 1965 entschied sich das Schicksal meines Films. Das 11. Plenum des ZK der SED verbot fast eine gesamte DEFA-Jahresproduktion. Eine kleine Wirtschaftstagung sollte es werden - und geriet zur Generalabrechnung der Genossen mit dem Geist. Der Geist erholte sich nie wieder davon, die Genossen auch nicht. Im Weißenseer Toni-Kino, ist jetzt noch einmal 11. Plenum: das Plenum über das Plenum. Das Wilhelm Fraenger Institut kam auf die Idee, und das "Toni" macht das jahrzehntelang Unsichtbare sichtbar. Es zeigt ein Festival der verbotenen Filme, umrahmt von historischen Erkundungen, die manchmal länger dauern als der Film. Wer in der DDR, im Kino, einen Namen hatte, kommt.

Am Anfang stand der vielleicht unbekannteste Film dieses traurigen Jahrgangs. "Berlin um die Ecke" mit Dieter Mann und Erwin Geschonnek. "Das Kaninchen bin ich" von Kurt Maetzig, "Karla" von Hermann Zschoche, "Denk bloß nicht, ich heule" von Frank Vogel und viele andere folgen bis zum 20. Dezember. "Berlin um die Ecke". Dieter Mann selbst sah seinen Film 1988 zum ersten Mal. Es ist ein wunderbares Stück Berlin-Kino - Dieter Mann: "Sehen Sie nur dieses Frühlicht in der Wichert-Straße!" -, es ist voll von der Poesie des Spröden, ja des Hässlichen auch, und es ist das Porträt einer Jugend, die ins Freie will.

"Die DDR ist ein sauberer Staat mit unverrückbaren Maßstäben", erklärte Berichterstatter Erich Honecker dem 11. Plenum. Die Allianz des Biedermanns und des Klassenkämpfers, wahrscheinlich gibt es nichts Fataleres. Und wie genau wir im Film noch etwas anderes sahen: wie aus Verfolgten so oft wieder Verfolger werden. Die Mauer ist doch gar nicht so übel, fand noch 1961 Heiner Müller. Dahinter können wir endlich machen, was wir wollen. Kunst und Kommunismus! - Nun war klar: Kommunismus mit Kommunisten ist unmöglich.

Ich weiß nicht, was an diesem Film war, das dieses Land beleidigt und gekränkt hat, sagte Dieter Mann. Man sieht all die Filme, sieht durch sie hindurch und denkt: Wie verdorben musste ein Staat sein, der soviel Leidenschaft, soviel Liebe, die zuletzt sogar ihm galt, verbietet.

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