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Kappe statt Haare. Komiker Fil.

© Daniel Porgsdorf/Promo

Fil im Mehringhoftheater: Wie wär’s mit Bier ohne Weg?

Chaos-Comedian, Alt-Punk und Trans-Ager: Fil mit seiner Show "The Fill on the Hill" im Mehringhoftheater.

Wenn die Punker älter werden, setzen sie sich einen Fiffi auf den Kopf. Jedenfalls Glatzkopf Fil macht das so, in seiner neuen Show. Seltsam. Mit Perücke sieht ein notorischer Berliner Rotzbengel wie der 1966 in Tegel als Philip Tägert geborene Zeichner, Buchautor, Komiker und Musikant plötzlich so brav aus wie der Torwart Toni Schumacher.

Doch das täuscht. „The Fill on the Hill“, das im Mehringhoftheater uraufgeführte Programm, ist ein Abend im verlässlich wirren Fil-Stil. Der Titel der Show ist komplett für die Katz. Die Beatles oder gar Berge kommen nicht vor. Das funktioniert seit 20 Jahren so, die der Fernsehverweigerer Fil inzwischen über die Bühnen von „linksversifften selbstverwalteten Kulturhütten“ (O-Ton Fil) tingelt. Trotzdem ist die Hütte immer voll. Und die Fans bringen dem sich verhaspelnden, grimassierenden Klampfenheini, der mittels eines Effektgeräts schräge Töne fabriziert, allerwärmste Liebe entgegen. Besonders daheim in Berlin.

Ins waidwunde Herz der Stadt

Mit seinem puppenlustigen Hass-Song „Der Späti ist ein Teuri“, der auf die bei Touris und Hipstern beliebte Spätkauf-Kultur eindrischt, trifft Fil direkt ins waidwunde Herz der von Wachstumsschmerzen geplagten Stadt. „Wegbier – was soll der Kack? Wir haben früher auch Bier getrunken, aber keine Jugendbewegung draus gemacht.“ Zu Hause hocken und Serien gucken, das Essen beim Leichtlohn-Lieferknecht bestellen, Partys schon vor zwölf, elf, zehn, neun verlassen und schließlich gar nicht mehr im Dunkeln vor die Tür gehen. Oh ja, Fil kennt das Lebensgefühl seiner urbanen Pappenheimer. Schließlich ist der einstige Punkmusiker aus dem Märkischen Viertel längst selbst Familienvater. „Ich bin Trans-Ager“, bekennt Fil. Ein junger Mann mit vollem Haar, gefangen im falschen, weil kahlköpfigen Körper.

„Netflix hat Deutschland viel mehr verändert als das Nazi-Thema Integration“, behauptet der kurzzeitig zum Politkabarettisten mutierende Fil. Werdet so wie wir, würden viele von den Einwanderern fordern. „Aber wir wollen ja selbst nicht sein wie wir.“ Sie sitzt, die Watsche für das deutsche Selbstwertgefühl. Gesellschaftspolitisch weniger relevant, aber saukomisch sind die Persiflagen auf Cloud-Rapper und Reinhard Mey. Menno, der kann ja doch singen. Sein typischer Chaos-Flow rumpelt am Premierenabend noch heftig. Zu viel nervöses Gestammel, zu viel Gestarre auf den Spiralblock, zu viel Avanti-Dilettanti-Fil. Aber gemach: Noch fünf, sechs Abende und die Show ist perfekt.

Mehringhoftheater, Kreuzberg, noch bis 24. November, Mi–Sa 20 Uhr

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