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Von Menschen geschnittener Monolith in Baalbeck, Libanon: Szene aus Victor Kossakovskys Dokumentarfilm "Architecton", Berlinale-Wettbewerb 2023

© Ma.ja.de/Point du Jour/Les Films du Balibari

Film „Architecton“: Athenas allzu edle Schönheit

Antike Tempel sind nicht mit Betonkisten zu vergleichen - auch wenn Regisseur Victor Kossakowskys es in noch so betörenden Bildern versucht.

Heute soll es um Ideale gehen. Und um einen Film, der als Kritik der Verschwendungskultur unserer Zivilisation Furore macht und, ohne dies auch nur einmal zu sagen, mit Berlin verbunden ist. Es geht um Victor Kossakowskys „Architecton“, der im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde.

Darin ist auch jener Athena-Tempel nahe dem Ort Örtchen Güllübahçe in der heutigen Westtürkei. Entworfen um 350 v. Chr. von dem Bildhauer-Architekten Pytheos, gilt er als der ionische Tempel schlechthin. Deswegen wurde er schon im 18. Jahrhundert und noch einmal 1868 durch Briten vermessen. Varianten seiner Säulen stehen vor dem Berliner Alten Museum, der Münchner Glyptothek, dem Londoner British Museum und ungezählten amerikanischen Museumspalästen. Und deswegen wurde er seit 1895 durch die Berliner Archäologen Carl Human, Theodor Wiegand und Hans Schrader zusammen mit der Idealstadt Priene aufs Gründlichste erforscht. Zwei Säulen des Tempels und originale Bauteile kann man, nach dann 12 Jahren Schließzeit, vielleicht 2027 im Hellenistischen Saal im Pergamonmuseum wiedersehen.

Brutale Sprenglawinen

Fünf der antiken Säulen haben Archäologen in Priene nicht ganz korrekt wieder aufgerichtet. Trotzdem sind sie mit den Riesensteinen des Jupitertempels in Baalbek – ausgegraben 1900 bis 1905 unter Leitung des Berliner Archäologen Otto Puchstein – architektonische Hauptakteure von Victor Kossakowsky. Sein Film dürfte ein großer Erfolg werden, mit langsamen Kamerafahrten, pathetischer Musik und brutalen Sprenglawinen.

Die Botschaft ist so klar: Hier edle Tempel, gebaut aus weich schimmerndem Kalkstein, der mit der Hand bearbeitet wurde. Dort fiese Betonkisten, für die dieser herrliche Kalkstein brutal gebrochen, zerbrochen, gemahlen wird. Hier die angeblich auf Jahrtausende vorausdenkende Antike (oft in klassischem Fotografen-Schwarz-Weiß), dort die kurzsichtige Moderne, die mit ihrem „trockenen“ Beton (so der Architekt Michele de Lucchi in dem Film) sogar das Weltklima ins Wanken bringt.

Kernbotschaft: Die Alten machten es besser. Hallo! Aufgewacht! Das, was hier von den Alten gezeigt wird, ist wie der Athena-Tempel schon in der Antike eine Dauerbau- und Dauerreparaturbaustelle gewesen. Und wenn man diese ja herrlichen Ruinen schon umstandslos mit der Moderne vergleicht, dann bitte mit der aus Beton geschaffenen herrlichen Philharmonie, der Oper in Sydney, dem Guggenheim-Museum in Bilbao. Aber doch nicht mit banalen, die Umwelt verschandelnden und das Klima belastenden Massen-Wohnkisten. Gott, ist das reaktionär und platt kulturpessimistisch. Aber die Bilder Kossakowskys – die sind wirklich großartig.

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