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In Zara Dwingers „Kiddo“ erlebt die elfjährige Lu mit ihrer Mutter einen abenteuerlichen Roadtrip.

© Studio Ruba

Filme für junge Menschen und alle anderen: Auf der Suche nach der Zukunft

56 Filme für junge Menschen: Die Berlinale-Sektionen Generation Kplus und 14plus befassen sich auch dieses Jahr wieder mit den großen Fragen des Heranwachsens.

Von Kirsten Taylor

Cannes hat es nicht, Venedig auch nicht, aber Berlin: ein A-Filmfestival mit einem Programm für junge Zuschauer – und das schon seit 1978. In diesem Jahr präsentieren die Sektionen Generation Kplus (für Kinder ab fünf Jahren) und 14plus (ab Teenageralter) insgesamt 25 Lang- und 31 Kurzfilme aus aller Welt.

Darin geht es um alterstypische Themen wie Autonomiebestreben, Identität oder erste Liebe, aber auch um Krieg, Ausgrenzung oder den Umgang mit Verlust und Trauer.

Nicht immer sind die Wettbewerbsfilme der Sektion gezielt für ein junges Publikum gemacht. So etwa die Doku „And the King Said, What a Fantastic Machine“, die von den Anfängen der Fotografie und des Kinos bis in die heutige Bilderflut auf Smartphones und Social-Media-Kanälen führt und dabei hinterfragt, was wir eigentlich sehen und was das mit uns macht.

Auch dem 14plus-Eröffnungsfilm „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von Sonja Heiss haftet nicht von vornherein das Etikett Jugendfilm an, wenngleich er vom Erwachsenwerden und einer Familie erzählt, die auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik lebt.

Filmangebot für das gesamte Publikum

„Wir verorten die Sektion und das junge Publikum mitten in der Berlinale“, sagt Sektionsmanagerin Melika Gothe, neben dem künstlerischen Leiter Sebastian Markt seit September 2022 verantwortlich für die Generation. Allerdings folgen beide dabei keinem „exklusiven Gedanken“, sondern sehen das Filmangebot für das gesamte Publikum der Berlinale.

Stärken will das neue Leitungsteam – neben dem Berlinale-Schulprojekt – fortan den Bereich der Filmvermittlung. Nicht allein um Filmwissen geht es ihnen dabei, vielmehr wollen sie möglichst vielen den Zugang zur Berlinale und ein gemeinsames Kinoerleben ermöglichen.

Bewährt haben sich die Cross-Section-Vorführungen, bei denen Zuschauer unter 18 Jahren auch Filme aus anderen Sektionen sehen können; dieses Jahr etwa aus der Retrospektive und dem Panorama. Einige Filmgespräche werden von Gebärdendolmetscherinnen begleitet, im Kinderprogramm Kplus wird erstmals je ein Film in Ukrainisch und syrischem Arabisch eingesprochen.

Zusammen mit der AG Kino Gilde wurde zudem das Programm „Generation Cinema Vision 14plus“, entwickelt, in dessen Rahmen ein 14plus-Langfilm des Vorjahres deutschlandweit in Kinos – auch für Schulklassen – gezeigt wird.

„Mutt“ setzt sich sensibel mit dem Trans-Sein auseinander.

© Quiltro LLC

Komplexe Gefühle, starke Figuren

„Mir ist bei Kinderfilmen wichtig, dass sie nicht immer dasselbe Schema wiederholen, wie sie für und über Kinder erzählen“, erklärt Melika Gothe. „Werden die jungen Figuren in den Filmen ernst genommen? Wird die Komplexität ihrer Gefühle dargestellt?“ sind für sie leitende Fragen.

Geradezu programmatisch wirkt in dieser Hinsicht „Zeevonk“, der Eröffnungsfilm von Kplus. Lenas Vater ist mit seinem Fischkutter bei einem Sturm verunglückt. Im Badezimmer steht sein Aftershave, an der Wand hängen Fotos, nur er selbst ist für immer fort.

Lena ist tieftraurig, aber vor allem wütend. Ein intensiver Film mit einer starken Mädchenfigur, die sich entwickeln darf, genauso wie die elfjährige Lu in „Kiddo“, die wohlbehütet bei einer Pflegemutter lebt, während ihre Mama angeblich in Hollywood Karriere macht. Als diese eines Tages vor der Tür steht, folgt ein wilder Roadtrip à la „Bonnie und Clyde“ im blauen Chevrolet nach Polen, in dessen Verlauf das Mädchen unabhängiger wird.

Filme wie diese zeigen, wie man für Kinder erzählen kann: eigenwillig, unterhaltsam und nicht von oben herab. Manchmal genügt wie im slowakischen „Mimi“ sogar ein ganz einfacher Plot – eine Siebenjährige sucht ihren entflogenen Wellensittich im Wald – für eine spannende Geschichte.

Erster Kuss, erster Sex

„Kplus ist der erste Kuss, 14plus der erste Sex“, hat die frühere Sektionsleiterin Maryanne Redpath einmal gesagt. Das kann man mitunter wörtlich nehmen. Auch Feña und John landen im US-Indiefilm „Mutt“ im Bett. Vor ein paar Jahren waren sie schon mal ein Liebespaar, nur hieß Feña damals Fernanda und trug keine Narben auf der Brust.

Der Unterschied zwischen den beiden Filmprogrammen zeigt sich auch in „Sica“, dessen Story der von „Zeevonk“ ähnelt. Sicas Vater, ein Fischer, ist an der Costa da Morte ertrunken. Die Suche nach ihm eingestellt. Sica streift seinen alten Pulli über und zieht sich zurück. Wind und Wolken, die schroffe Küste und das Meer werden zur Seelenlandschaft.

Man muss sich das Mädchen und seine Welt erschließen – und nicht in jedem Film mag das gelingen. Vor allem in Generation 14plus spürt man in diesem Jahr aber auch, in welcher Zeit wir leben. Der Blick auf Konflikte und Kriege und die Frage, was junge Menschen diesen entgegensetzen, unterstreicht den politischen Anspruch des Festivals.

Was Krieg neben Menschenleben, Städten und ganzen Landstrichen noch zerstört, zeigt sich in dem ukrainischen Dokumentarfilm „My ne Zgasnemo“, der 2019 fünf Teenager aus dem Donbass begleitet hat. Wie schwarzer Staub hat sich der dort seit Jahren wütende Krieg auf ihre Seele gelegt. Was für eine Zukunft haben sie? Es ist eine dringliche Frage, die sich uns allen stellt.

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