zum Hauptinhalt

Fotografie: Südafrika: Tote, Tränen, Tropenhelme

Bilder, die Geschichte schreiben: 60 Jahre Fotografie aus Südafrika im Berliner Willy-Brandt-Haus.

Noch spielen schwarze und weiße Kinder in Johannesburg zusammen. 1949 war die Apartheid der nationalistischen Regierung von Hendrik Verwoerd schon ein Jahr Gesetz. Zumindest die Kinder auf David Goldblatts Foto scheint das nicht zu stören. Es ist eines der wenigen fröhlichen Bilder, unter 150 Fotografien, mit denen der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus in einer beeindruckenden Ausstellung 60 Jahre Fotografie in Südafrika präsentiert.

Am Anfang dominieren die Fotografen des Magazins „Drum“, das sich früh zum Sprachrohr der Anti-Apartheid-Bewegung gemacht hat. 1964 hielt David Goldblatt die Führung der Nationalen Partei zu Pferde fest, finster dreinschauende Buren mit Tropenhelm und Südwester. Auf einem anderen Foto blicken Goldminenarbeiter resigniert in die Kamera. Die Gegensätze könnten nicht größer sein.

Die Fotografie schreibt in diesen Jahren Geschichte. Ranjith Kally dokumentiert die Passverbrennungen oder nimmt den verbannten Friedensnobelpreisträger Chief Albert Luthuli mit skeptischem Blick am Fenster einer Lehmhütte in Natal auf. Das Regime hatte ihm Redeverbot auferlegt. Die gewaltsamen Umsiedlungen im Rahmen des Group Area Acts hat G. R. Naidoo in den fünfziger Jahren festgehalten, ebenso den Protest von 20 000 Frauen aller Hautfarben gegen die diskriminierenden Passgesetze. Überhaupt die Frauen. Stolz, selbstbewusst und elegant posieren Fabrikarbeiterinnen in Johannesburg vor Bob Gosani, der auch die lässige Eleganz der schwarzen „Amerikaner-Gang“ im Cabriolet eingefangen hat.

Den Höhepunkt der Ausstellung bilden die Fotos vom Sharpeville-Massaker 1960, bei dem 69 Schwarze erschossen wurden, darunter Kinder. Sam Nzima hat die spätere Ikone des Widerstands von Soweto verewigt: Mbuyiswa Makhubu trägt mit tränenüberströmtem Gesicht den toten Schüler Hector Pieterson, der bei den Schülerdemonstrationen gegen die Einführung des Afrikaans als Unterrichtssprache in Soweto 1976 erschossen wurde. Das Bild ging um die Welt.

Die Fotos der Achtziger zeigen ein Regime, das auch Kinder gefangen nimmt, wie das Bild eines Jungen im Gefangenenwagen von Gideon Mendel beweist. Liest man die Jahreszahlen der Beerdigungen und Trauerfeiern, so wird klar, wie lange die Brutalität dauerte. Die Fotos aus der Zeit der Befreiung nach 1994 zeigen Normalität, aber auch die Wunden der Vergangenheit. Erst nach 2000 tauchen die Farbfotos auf. Der erschwingliche digitale Druck macht es möglich, dass eine Fotografin wie Jodie Bieber auf riesigen Formaten Models zeigt, die allen Casting-Richtlinien widersprechen, aber von gesundem Selbstbewusstsein zeugen. Das macht Mut.

Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, bis 1. Juli, Di - So 12 - 18 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false