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Fotografie von Oleksandr Glyadelov.“ Documentation of the War, 2022-2023“.

© Oleksandr Glyadelov. Documentation of the War, 2022-2023. Courtesy to MOCA NGO/Oleksandr Glyadelov. Documentation of the War, 2022-2023. Courtesy to MOCA NGO

Fotografien aus der Ukraine in Berlin: Bilder können Dokumentation und Heilung sein

Der Krieg beeinflusst auch die Arbeit von Kunstschaffenden in der Ukraine. Ihren persönlichen Blick zeigt die Ausstellung „The Art of Coping with War“.

Seit über einem Jahr leben die Menschen in der Ukraine im Ausnahmezustand. Im Berliner Museum für Kommunikation teilen nun fünf ukrainische Fotograf:innen im Rahmen des European Month of Photography (EMOP) ihren persönlichen Blick auf den Krieg. Zu sehen sind andere Bilder als sie die täglichen Medienberichte hierzulande zeigen.

Als wenige Wochen nach dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 Frühling in der Ukraine Einzug hielt, begann Ihor Bondarenko Blumen zu fotografieren. Seine Reihe „Flowers Under Attack” zeigt die zarten Triebe von Obstbäumen, die sich einem vom Bombenhagel verdunkelten Himmel entgegenstrecken. Noch fragilere Pusteblumen, denen nichts etwas anzuhaben scheint. Die Bilder sind Zeugnisse einer surrealen Wirklichkeit: Es ist Krieg, doch die Pflanzenwelt blüht und sprießt – sie scheint sich zu widersetzen.

Blumen gibt’s auch im Krieg

Von den fünf in der Ausstellung „The Art of Coping with War” gezeigten Positionen ist Bondarenkos vielleicht am weitesten von einer dokumentarischen Bildsprache entfernt. Der junge Fotokünstler aus Kiew ist Absolvent der Viktor Marushchenko School of Photography, einer der wichtigsten Fotoschulen der Ukraine. Bondarenko betont, er habe einen neuen Umgang mit der Fotografie finden müssen, um den Dimensionen des Krieges gerecht zu werden. Die schier unbegreifliche Koexistenz von Tod und Frühling ist eine davon.

Die Fotografie von Yana Kononova, ebenfalls Absolventin der Absolventin der Kiewer Viktor Marushchenko School of Photograph, widmet sich einem anderen Aspekt des Krieges. Ihre „X-Scapes” zeigen Trümmerhaufen, denen nicht mehr anzusehen ist, was sie einmal waren. Die schwarzweißen Nahaufnahmen verleihen dem verdrehten und verformten Material nahezu ein Eigenleben. Es wird so zum Archiv der Zerstörungsgewalt, die sich in ihm eingeschrieben hat.

Ihor Bondarenko: „Flowers Under Attack, 2022-2023“. Der Fotograf entfernt sich vielleicht am weitesten weg von der dokumentarischen Fotografie.
Ihor Bondarenko: „Flowers Under Attack, 2022-2023“. Der Fotograf entfernt sich vielleicht am weitesten weg von der dokumentarischen Fotografie.

© Ihor Bondarenko. Flowers Under Attack, 2022-2023. Courtesy to MOCA NGO/Ihor Bondarenko. Flowers Under Attack, 2022-2023. Courtesy to MOCA NGO

Auch Oleksandr Glyadelov hat seine Kamera auf die menschenleeren Schauplätze der Verwüstung gerichtet. Bereits seit vielen Jahren begleitet er militärische Konflikte in verschiedenen Ländern, zuletzt konzentrierte er sich auf die Ukraine. Der 1956 geborene Fotojournalist versteht sich als Dokumentarist des Krieges, seine analogen Bilder als visuelles Beweismaterial, das der internationalen Gemeinschaft die Situation in der Ukraine vermitteln soll.

Doch es gibt auch die Hinterbühnen des Krieges. Szenen, wie sie die Museologin Olena Subach in ihrer Heimatstadt Lwiw fotografiert hat. Hier arbeiten Museumsrestaurator:innen und Freiwillige daran, öffentlich zugängliche Kulturgüter vor der Zerstörung zu bewahren. Was nicht demontiert und eingelagert werden kann, muss an Ort und Stelle geschützt werden. So entsteht ein Stadtbild, in dem gespensterhaft verhüllte Statuen daran erinnern, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war.

 Olena Subach. „Hidden series, 2022.“ Olena Subach zeigt, wie Menschen die Kunstschätze ihrer Museen retten.
 Olena Subach. „Hidden series, 2022.“ Olena Subach zeigt, wie Menschen die Kunstschätze ihrer Museen retten.

© Olena Subach. Hidden series, 2022. Courtesy to MOCA NGO/Olena Subach. Hidden series, 2022. Courtesy to MOCA NGO

Im Begleittext zur Ausstellung schreiben die Kuratorinnen Halyna Hleba und Olga Balashova: „Trotz der schmerzhaften Verluste, die das ukrainische Volk erleidet, muss jede:r das eigene Leben weiterführen.” Davon handeln auch die Arbeiten von Sasha Kurmaz, der 2016 in Berlin als „C/O Talent” ausgezeichnet wurde. In intimen Collagen verbindet er Fotografien mit handschriftlichen Notizen, Zeichnungen und gefundenen Materialien. Eine Hand betastet Einschusslöcher in einer Hauswand, inmitten eines 15 Meter breiten Bombenkraters ist ein menschlicher Körper als Maßstab platziert.

Kurmaz’ Arbeit „The Red Horse” ist nicht nur eine Annäherung an das Leben im Ausnahmezustand, sondern auch das Künstlerdasein inmitten von ihm: Was heißt es, Kunst im und mit dem Krieg zu machen? Was kann Kunst vom Krieg erzählen?

Die fünf fotografischen Positionen, die noch bis Anfang April im Museum für Kommunikation zu sehen sind, lassen eine Vorstellung davon entstehen, wie der Krieg die Arbeit von Kunst- und Kulturschaffenden in der Ukraine verändert hat. Und die Kuratorinnen sammeln weiter: Gemeinsam mit dem Kiewer Museum of Contemporary Art NGO haben sie das „Wartime Art Archive" ins Leben gerufen. Mit bereits über 6000 Werken versteht es sich als „emotionaler und künstlerischer Fußabdruck des Krieges” – und seine Arbeit ist noch nicht beendet.

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