zum Hauptinhalt
Zerlegte Wirklichkeit. Barbara Probsts "Exposure #138".

© Courtesy: Kuckei + Kuckei, Berlin

Fotografin Barbara Probst: Mit den Augen der Anderen

Perspektivwechsel: Fotografin Barbara Probst trickst in der Galerie Kuckei & Kuckei in Mitte die Wahrnehmung aus.

Mit einem Auslöser und mehreren Kameras erfasst Barbara Probst zeitgleich Bilder einer Situation. Der Bruchteil einer Sekunde Wirklichkeit wird aus verschiedenen Richtungen fixiert. In Ausstellungen hängen diese Serien als Triptychen oder mehrteilige Cluster, faszinieren und irritieren die Besucher zugleich. Die Fotografie wird so jenseits aller 3-D-Verfahren nicht nur räumlich erweitert, sondern auch von einer individuellen in eine multiple Wahrnehmung überführt. Das ist keineswegs eine rein spielerische Angelegenheit oder Marotte, sondern eine visuell hochinteressante Methode, medienkritische wie philosophische Überlegungen zu unserem Realitätsbegriff anzustellen. Denn wie können wir unsere Auffassung verallgemeinern, wenn derselbe Augenblick so unterschiedlich wahrgenommen werden kann?

Drei Tableaus zeigt „Exposure #139: Munich, Nederlingerstrasse 68, 8.21.18, 5:13“, (26 000 Euro), denen allein schon aufgrund der Farben etwas Malerisches anhaftet. Monochromes Blau oder Schwarz im Hintergrund, davor eine grüne Flasche, gelbe Zitrone, ein gestreifter Keramikkrug, eine ins Bild ragende Hand und ein Tisch. Alle drei Aufnahmen – aus verschiedenen Positionen vom Boden aus fotografiert – spielen mit dem Ansatz einer Erzählung. Sie sind Teil der aktuellen Ausstellung von Probst in der Galerie Kuckei & Kuckei, die früh auf die Künstlerin gesetzt hat und sie seit mehreren Jahren vertritt.

Selbstreflexive Bilder

Zwei weitere neue Triptychen von inszenierten Situationen aus „Munich, Nederlingerstrasse 68“ mit ähnlichen Utensilien sind in der Ausstellung zu sehen. Das Romanhafte, Erzählerische in den Bildfolgen von Barbara Probst macht auch den Charme ihrer Arbeiten aus. Denn unabhängig von der medienkritischen und philosophischen Bedeutung ihres Werkes gelingt es ihr, die Betrachter zum Fortspinnen der Bilderzählungen zu animieren. Mal als melancholischer Blick, geprägt von Einsamkeit, und dann als Szene, die aus einem Thriller stammen könnte.

Barbara Probst, 1964 geboren, kommt originär aus der Bildhauerei und hat nach ihrer Zeit an der Münchener Akademie noch bei Hilla und Bernd Becher in Düsseldorf Fotografie studiert. Probst widmet sich aber weit entfernt von der Becher’schen Methode einem anderen Ansatz, in dessen Mittelpunkt nicht das systematische Dokumentieren, sondern Fragen der Wahrnehmung von Realität im Zentrum stehen. Sie leistet damit einen visuell starken und überzeugenden Beitrag sowohl zur Reflexion über Wirklichkeit wie auch der Fotografie. Mit dieser Befragung des Mediums und der Perspektive ist Probst sehr erfolgreich und mittlerweile in vielen Museen, Sammlungen und großen Ausstellungen vertreten.

Wie genau Probst reflektiert, zeigt ein Zitat aus dem Jahr 2014: „Genau wie der Kamerastandpunkt bestimmt auch die Wahl des Blickwinkels und des Ausschnitts, wie der abgebildete Moment erzählt wird.“ Auch wenn die Bildgeschichten der Künstlerin vordergründig unpolitisch wirken: Die Erkenntnis, die sie evozieren, lassen Rückschlüsse hinsichtlich medialer Berichte über Kriege und andere Geschehnisse zu.

Kuckei & Kuckei, Linienstr. 158; bis 18.4., Mi–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–17 Uhr

Matthias Reichelt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false