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Kultur: Frank Beyer: Da ist der Moderator fassungslos

Frank Beyer hat aufgeschrieben, wie er zum Film kam. Durch Plünderung.

Frank Beyer hat aufgeschrieben, wie er zum Film kam. Durch Plünderung. Im Mai 1945 sieht der 13-Jährige einen Mann Schreibmaschinen aus dem Fenster werfen. Er geht nachschauen und kommt mit einem Schmalfilmprojektor sowie der Filmrolle "Hochzeit am Tegernsee" wieder heraus. Einen Tag später muss alles Beute-Gut zurückgegeben werden, Beyer wird zum Retter des Thüringischen Schmalfilmwesens ernannt. Da ahnt er, dass man mit Film schnell berühmt werden kann. Helden hielt er fortan erst einmal für Plünderer, was den angehenden Jungkommunisten früh in einen Widerspruch zur DDR-Führung setzte.

In der Akademie der Künste lesen Jutta Hoffmann, Wolfgang Thierse und Beyer selbst bemerkenswerte Stellen aus der Autobiographie des Regisseurs: "Wenn der Wind sich dreht". Jutta Hoffmann liest was vom 11. Plenum, Thierse über den Intellektuellen und die Macht (am Beispiel von Beyers Film "Der König und sein Narr") und Beyer übers Dableiben und Weggehen aus geschlossenen Systemen. Mit dem 11. Plenum 1965 - damals verschwand neben Beyers "Spur der Steine" fast eine gesamte Defa-Jahresproduktion - ist man schnell fertig. Thierse erklärt trotzdem noch mal den Widerspruch sozialistischen Kunstschaffens. Die Wirklichkeit sollte "in ihrer revolutionären Entwicklung" dargestellt werden. Insofern galt es als konterrevolutionär, das Leben zu zeigen, wie es war. Richtig war zu zeigen, wie es sein würde. Frank Beyer nickt noch mit postsozialistischer Traurigkeit, als Thierse schon liest: Der Intellektuelle und die Macht. Ein Stoff, den Beyer gar nicht erst versuchte, in der DDR zu drehen. Er machte das mit Götz George bei der ARD. Das Politbüro hätte ihn ohnehin nicht verstanden: Ist die Macht nicht die Macht der Vorhut der Arbeiterklasse, ergo des ganzen Volkes? Will der Intellektuelle ausdrücken, dass er nicht zum Volk gehört? Nein, man konnte mit denen nicht diskutieren. Eben, schrieb nach 1989 ein in den Westen gegangener Schulkamerad an Beyer, er hätte die Pflicht gehabt, auszuwandern. Thierse, ebenfalls ein Nichtausgewanderter, blickt ihn solidarisch an. Thierses erste Liebe ist in den Westen gegangen. Aber: "Ich habe keine besondere Begabung, bin kein Schauspieler und kann nicht singen - was hätte denn aus mir werden sollen?", ruft der Bundestagspräsident. Beyer schrieb dem Auswanderungs-Pflichtmenschen, dass der Unterschied zwischen "censorship" und "sponsorship" ja so groß auch nicht sei. Von der Wirkung her gesehen. Der Moderator ist fassungslos.

Mag sein, Beyer dachte daran, wie man ihm 1998 Johnsons "Jahrestage" weggenommen hat, drei Wochen vor Drehbeginn. Er sollte umbesetzen, sagte Nein. Schließlich hatte er schon damals bei "Jakob der Lügner" nicht Rühmann genommen, sondern Vlastimil Brodsky, den keiner kannte. Die DDR machte wenigstens immer erst ein Plenum, wenn sie Nein! sagte, mag Beyer gedacht haben und begann zu schreiben. Nicht, weil alles dasselbe ist. Aber weil es manchmal so verdammt ähnlich aussieht. Und weil beides zusammenzudenken ein anderes Wort ist für Erfahrung.

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