zum Hauptinhalt
Kriegsbemalung statt Make-up. Als Teenager schrieb Lumaraa Gedichte, heute rappt sie zu harten Trap-Beats.

© Art Davis

Frauen und Hip-Hop: Lumaraa: Kopf hoch im Haifischbecken

Höher, schneller, geiler reimen: Die Rapperin Lumaraa behauptet sich mit ihrem Album „Ladies First“. Ein Treffen.

Deutscher Rap und Frauen? Stehen seit jeher in einem angespannten Verhältnis zueinander. Auch im Rap-Jahr 2017 lautet das hauptsächliche Betätigungsfeld für das weibliche Geschlecht: powackelnde Statistinnenrollen in Videoclips. Wer jedoch genauer hinschaut, findet durchaus Frauen, die aus diesem Raster fallen. Künstlerinnen wie Schwesta Ewa, Haiyti, Sookee, Yansn oder SXTN gehen ihre eigenen Wege. Klischees nutzen sie bestenfalls, um diese zu konterkarieren. Weibliche Stimmen werden im deutschen Hip-Hop lauter und vor allem von männlichen Kollegen ernst genommen.

Eine der Rapperinnen, die dazu beigetragen hat, sitzt an einem zaghaften Frühlingsvormittag in einem Café in Kreuzberg und umklammert ein Glas Wasser. Sie ist 26 Jahre alt und hört auf den bürgerlichen Namen Sabine Gerling. Auf der Bühne nennt sie sich Lumaraa. Seit zwei Jahren lebt sie nun schon in Leipzig, doch an diesem Vormittag ist sie in ihre ehemalige Wahlheimat Berlin zurückgekehrt, um über ihr neues Album „Ladies First“ zu sprechen. Begleitet wird sie von ihrem Freund, ebenfalls Rapper und bekannt unter dem Künstlernamen Der Asiate.

Der Titel ihres Albums passt gut zum aktuellen Zeitgeist, wo selbst die Modebranche den Feminismus für sich entdeckt. Im Video zum Titelstück sieht man Lumaraa in einem schnellen Auto durch kalifornisches Niemandsland fahren. Sie trägt einen hautengen Anzug und eine Sturmmaske. Dazu rappt sie wütend: „Von außen sieht alles einfach aus, doch so ist es nicht/ Alice Schwarzer pumpt keinen Rap, deswegen gibt es mich/ Ich muss höher springen, schneller laufen, geiler rappen/ Ich muss tiefer tauchen, besser schwimmen im Haifischbecken“ Mascara und Puderrouge sind für Lumaraa kein Make-up, sondern Kriegsbemalung. Und in der Hook fordert sie: „Bauch rein, Brust raus, alle Mädels salutiert!“

Nicki Minaj und Disney-Filmmusik

Man kann diesen Zeilen ein gewisses Sendungsbewusstsein nicht absprechen. Trotzdem möchte sich Lumaraa nicht verschlagworten lassen. „Mir ist egal, ob das jetzt Feminismus ist oder nicht“, sagt sie. „Ich denke nicht darüber nach. Ich will einfach nur Musik machen und das thematisieren, was mich beschäftigt.“ Ob sie sich selbst als Feministin bezeichnet? „Nein, auf gar keinen Fall.“ Mit Labels will Lumaraa offenbar nichts zu tun haben.

„Ladies First“ ist ihr drittes Album. Ihr Debüt „Mädchensache“ erschien 2013, der Nachfolger „Gib mir mehr“ liegt gerade mal ein Jahr zurück. Für das neue Werk hat sich Lumaraa Unterstützung ins Studio geholt. So haben ihr unter anderem Olli Banjo und Fader Gladiator beim Texten und Produzieren geholfen. Beide sind in der Szene alte Bekannte. „Ich war der Meinung, dass etwas Frisches gefehlt hat“, sagt Lumaraa. Der Kontakt kam über das Label zustande. Von August bis November vergangenen Jahres arbeitete das Team an den neuen Stücken.

Herausgekommen ist ein Rap-Album, das seine Affinität zum Pop nicht verheimlicht und Lumaraas private musikalische Vorlieben – von Nicki Minaj bis Disney-Filmmusik – widerspiegelt. Im Eröffnungsstück „Hypnose“ rappt sie zu einem trap-lastigen Beat. Ihre Stimme überschlägt sich fast, während sie sich in Battle-Rap-Tradition selbst feiert. „Hurra Hurra“ hingegen erinnert mit seinem eingängigen Refrain an die Girlband Tic Tac Toe, während „Gewinner“ Barbra Streisands „Pavane“ zitiert – das Sample verhalf einst schon Xzibit mit „Paparazzi“ zum Welthit. Nun also macht sich Lumaraa die markante Sequenz zueigen und rappt dazu: „Hier kommst du nur weiter, wenn du schreist, wenn es brennt wie nie, von ganz unten bis zur Champions League/sag, ich schaff das …“

Konkurrenz belebt den Flow

Als Teenager schrieb Lumaraa Gedichte. Dann spielte ihr ein Freund Songs von Kool Savas vor. Für Sabine Gerling, die mit ihrer Familie im bayerischen Landshut lebte, war die harte Musik des Rappers aus dem fernen Berlin eine Art Erweckungsmoment. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Ausdrucksweise. „An Rap hat mich fasziniert, dass man so viel erzählen kann.“ Und sie selbst hatte jede Menge Alltag und Leben zu verarbeiten. So wurden aus ihren Gedichten bald Songtexte, die von Mobbing und unerwiderten Gefühlen handelten. „Ich war ein Außenseiter und sehr schüchtern“, erzählt Lumaraa. „Ich konnte mich nicht wehren und wollte das vielleicht auch gar nicht.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sich zu wehren lernte Sabine Gerling erst, als sie zu rappen anfing. Vor acht Jahren machte sie die deutsche Hip-Hop- Szene zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Sie veröffentlichte einen Diss-Track gegen ihre Kollegin Kitty Kat, die damals als Neuling beim Label Aggro Berlin unter Vertrag stand und als weibliche Rap-Hoffnung gehandelt wurde. In „Der Beweis“ attackierte Lumaraa ihre Konkurrentin, nachdem sie sich von einem Kommentar auf Myspace provoziert gefühlt hatte. Eine Antwort hat sie nie erhalten, und mittlerweile herrscht Frieden – dank der Vermittlung von Lumaraas Freund.

Schüchternes Provinz-Mädchen war gestern

Mit 19 verließ Sabine Gerling das beschauliche Landshut und zog nach Berlin. „Damit hat sich für mich alles geändert. Das war eine komplett neue Welt für mich“, erinnert sie sich. Das Leben in der Hauptstadt empfand sie als hart und rau, die Menschen als distanziert. Aus dem ursprünglichen Vorhaben, eine Ausbildung zur Hotelfachfrau zu machen, wurde aus gesundheitlichen Gründen nichts. Und so widmete sie sich komplett der Musik. Berlin, sagt Lumaraa, habe sie geprägt. Die Stadt habe sie stark gemacht – und ihr ganz nebenbei ihren bayerischen Dialekt abgewöhnt.

Die Stärke, die sie sich in Berlin und der Szene zugelegt hat, spiegelt sich noch heute in ihren Texten wider, auch wenn Lumaraa mittlerweile der Liebe wegen nach Leipzig gezogen ist, wo sie nebenbei auf MDR Sputnik ihre eigene Sendung „Lu Music“ moderiert. Aus dem schüchternen Provinz-Mädchen ist eine selbstbewusste Künstlerin geworden, deren Videos im Internet millionenfach geklickt werden. Nach dem Gespräch in Kreuzberg muss sie sofort zum nächsten Termin. Ein Interview für das beliebte YouTube-Format „Disslike“ steht an. Das Konzept der Online-Show: Künstler kommentieren Internet-Hass-Kommentare über sich. Lumaraa wirkt entschlossen, als sie sich auf den Weg ins Studio macht.

„Ladies First“ ist auf Bassukah erschienen. Konzert: 19.4., 20 Uhr, Prince Charles

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false