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 Spatzen gehören zu den am häufigsten gezählten Vögeln in Berlin.

© picture alliance / dpa

Frühling in der Großstadt: Der Spatz ist ein Berliner

Beim Liebesgesang müssen Spatzen akustisch ordentlich aufdrehen, um Autoverkehr und Baulärm zu übertönen. Dennoch fühlen sich die kleinen Vögel in Berlin sichtlich wohl.

Eine Glosse von Corina Kolbe

Tschilp, tschilp, tschilp – in Bäumen, Büschen und Vorgartenhecken tobt gerade wieder das pralle Leben. Im Gegensatz zu den wetterfühligen Menschen haben Spatzen gar keine Zeit, im stillen Kämmerlein über das verregnete Frühjahr zu klagen. Die kleinen Vögel sitzen längst in den Startlöchern, um sich wie jedes Jahr neu zu verpartnern und für Nachwuchs zu sorgen.

Dank seiner Promiskuität ist der Haussperling auf der ganzen Welt zu Haus. In einer Großstadt wie Berlin, wo jeder dicht an dicht mit Nachbarn und zugleich nach eigenen Regeln lebt, scheint er sich besonders wohlzufühlen. Auch er lässt sich nicht gern Vorschriften machen.

Sie arbeiten höchst effizient im Team

Ob in achtlos weggeworfenen Pizzakartons im Park oder auf halb abgegessenen Kuchentellern im Straßencafé: die gefiederten Überlebenskünstler suchen überall nach Nahrung. Dabei arbeiten sie auch höchst effizient im Team. Eins, zwei, hopp – ein dickes Croissant wird strategisch klug an beiden Enden gepackt, vom Tisch geschubst und sogleich gierig zerrupft.

Wer nun meint, dass die Piepmätze von so viel Völlerei fett und träge werden, der irrt gewaltig. Das erklären die Umweltexperten Eva Goris und Claus-Peter Hutter in ihrem unterhaltsamen Buch "Federleicht. Das erstaunliche Leben der Spatzen" (Heyne-Verlag). Die quirligen, nur circa 25 Gramm schweren Vögelchen brauchen nämlich im Verhältnis zum Körpergewicht zehnmal so viele Kalorien wie ein Mensch.

Je mehr Energie die Spatzenmännchen tanken, idealerweise natürlich durch Körner und Insekten, desto besser können sie im Wettstreit mit Konkurrenten abschneiden. Potenzielle Partnerinnen lassen sich nicht nur durch eine stattliche Statur und prächtiges Gefieder beeindrucken. Auch beim Liebesgesang muss Herr Spatz etwa am Ku'damm oder am Alex ordentlich aufdrehen, um Autoverkehr und Baulärm zu übertönen. Was in unseren Ohren nach purer Lebensfreude klingt, ist in Wirklichkeit reine Plackerei.

Die Spatzenschwärme, die pfeilschnell über unsere Köpfe hinwegflitzen, sollten uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Existenz der Wildvögel leider akut bedroht ist. Von schätzungsweise nur noch 500 Millionen Haussperlingen weltweit leben zwischen fünf und elf Millionen Paare in Deutschland - Tendenz fallend. In einer anarchischen Metropole wie Berlin findet der Spatz auf Brachflächen und in unsanierten Häusern immerhin noch viele Schlupfwinkel, die ihm hier vorerst das Überleben sichern dürften.

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