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Kreativraum. Der Pavillon Donkôkéné Eins wurde von Stipendiaten errichtet.

© Fabian Hub

Gallery Weekend Berlin: Wo die Hoffnung tanzt

Schlingensiefs Operndorf: Zum Gallery Weekend ist in Berlin zu sehen, was die Künstler in Burkina Faso auf die Beine stellen.

Es geht voran auf der roten Erde Ziniarés, 30 Kilometer von der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou entfernt. Hier hat Christoph Schlingensief kurz vor seinem Tod Land erworben und der Architekt Francis Kéré hat kompakte Häuser entworfen, von denen mittlerweile mehr als 20 gebaut worden sind. Das Operndorf in Burkina Faso war das letzte große Projekt des Theatermachers. „Ein Hoffnungsdorf“ hat er es genannt. Seit seinem Tod 2010 wird es von seiner Ehefrau Aino Laberenz weitergeführt. Die sitzt nun an einem Tisch in Berlin-Mitte und berichtet, wie es ums Operndorf bestellt ist. Und vor allem, wie sie jedes Jahr junge Künstler aus Afrika und Europa dort zusammenbringt.

Seit 2015 gibt es ein Künstleraustauschprogramm im Operndorf, das nun im Rahmen des Gallery Weekend auch in Berlin Station macht. Ausgewählte Künstler verbringen mehrere Monate gemeinsam in Burkina Faso, anschließend treffen sie sich zu einer Ausstellung in Europa. Der Ort für das zweite Treffen ist ein zum Kunstraum umfunktionierter Bunker in Schönberg. „Donkôkéné Zwei – A German Subtitle“, heißt die Schau, die die Operndorf-Stipendiaten zum Galerienwochenende auf die Beine stellen.

Sieben Studenten der Universität der Künste aus der Klasse des Malers Thomas Zipp reisten im Herbst 2018 nach Burkina Faso und trafen dort auf afrikanische Stipendiaten, zwei Musiker aus Mali, Raphael Dembélé und Zonatan Dembele, der eine Tontechniker und Arrangeur, der andere Bassist und Gitarrist. Auch das gehört zum Konzept des Austauschprogramms: Es bezieht alle Sparten ein, vom Maler bis zum Tänzer, Schauspieler, Performer. „Die Residence beginnt immer im Oktober und geht bis Dezember. Das Operndorf soll in dieser Zeit Lebens- und Arbeitsraum für die Künstler sein“, sagt Aino Laberenz. „Es muss am Ende nicht unbedingt ein Produkt oder eine Ausstellung stehen, Begegnung, Austausch und Diskurs sind wichtiger“, so die Geschäftsführerin.

Noch ist das Operndorf im Aufbau. Das von Schlingensief für die letzte Phase geplante Festspielhaus steht noch nicht. Schule und Krankenstation sind in Betrieb, Kinder werden unterrichtet, Babys entbunden, Lehrer und Handwerker wohnen auf dem Gelände. „Wir haben die Schule erweitert und neue Klassenräume gebaut, die zum neuen Schuljahr bezogen werden. Außerdem bauen wir eine Bibliothek auf, die ständig wächst, und starten bald mit Alphabetisierungskursen“, sagt Laberenz. Auch ein nachhaltiger Wirtschaftskreislauf ist für sie und ihre lokalen Mitstreiter ein wichtiges Thema. Hirse und Gemüse könnten angebaut, in der Schulkantine genutzt oder verkauft werden. Arbeitsplätze sollen entstehen.

Das Hauptprojekt ist der Pavillon Donkôkéné Eins

Die Künstler leben Tür an Tür mit den Lehrern, Schülern und Bauleuten. Auch sie wohnen in den Unterkünften von Francis Keré, machen dort ihre Kunst, reden, trinken „Dolo“ an den Ständen . Das lokale Hirsebier wird überall in Kalebassen, einem ausgehöhlten Kürbis, serviert. So berichten es Greta Wildhage und Fabian Hub, die zu den Stipendiaten gehören und die ebenfalls ins Café gekommen sind, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Wildhage, die malt und zeichnet, begann im Operndorf auf Kalebassen zu zeichnen. Hug erzählt von einer neuen Lichtstimmung, die in seine Werke Einzug hielt und die ihm erst im kalten Berliner Licht richtig bewusst geworden ist.

Raphael Dembélé und Zonatan Dembele nahmen ein Album auf, das im Austausch mit der Gruppe entwickelt wurde. Das Hauptprojekt aber ist Donkôkéné Eins, ein Pavillon aus Holz, mit Strohdach und luftiger Struktur, den die Künstler auf einer Anhöhe im Operndorf errichtet haben. Das Wort Donkôkéné kommt aus dem Bambara, der Muttersprache der beiden Musiker aus Mali, und beschreibt einen Treffpunkt, an dem sich Menschen offen begegnen.

Der Pavillon diente als Ort für ein Kulturfestival, an dem Künstler und Bewohner aus der Umgebung mit Performances, Konzerten und Theateraufführungen teilnahmen. Was in Afrika über mehrere Monate hinweg erarbeitet wurde, soll nicht einfach nach Berlin transferiert werden. Der Bunker in Schöneberg dient dafür, die Idee des Donkôkéné in Berlin weiterzuführen. In einer Rauminstallation werden Malerei, Zeichnung, Plastik, Fotografie und Filme gezeigt, die in Burkina Faso entstanden sind. Zum Auftakt wird es ein Konzert geben.

Voneinander lernen und stereotype Bilder loslassen

Dass dieses Mal sieben Künstler aus Deutschland nach Burkina Faso gereist sind und nur zwei aus Afrika dabei waren, ist Zufall, erklärt Laberenz, und sei der Zusammenarbeit mit der Klasse von Thomas Zipp geschuldet. Das Verhältnis der Teilnehmer sei auch schon mal umgedreht gewesen. Der Austausch auf Augenhöhe und ohne Dominanz ist ein wichtiges Ziel des gesamten Operndorf-Projekts. Burkina Faso ist für seine lebendige Filmszene bekannt, auch darstellende Künste und Schauspiel sind wichtige Kunstsparten. Weniger ausgeprägt ist der Bereich bildende Kunst. Eine Galerien- oder Museeninfrastruktur gibt es kaum.

Es ist in dem westafrikanischen Land, einem der ärmsten der Welt, eine weitreichende Lebensentscheidung, den unsicheren Beruf des Künstlers zu ergreifen. Auch die Rolle des Künstlers hier wie dort steht bei so einem Austausch zur Debatte. Voneinander zu lernen und stereotype Bilder loszulassen ist das Ziel. Und zwischendurch gemeinsam feiern.

24.4. – 5.5., Eröffnung: 23.4., 19 Uhr. Bunker Wiensowski & Harbord, Lützowstr. 32. 26.4., 20 Uhr: Konzert mit Raphael Dembélé und Zonatan Dembele, 27.4., 13 Uhr: Diskussion

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