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Yahon Chang während seiner Performance „Ode to Life“ im Jahr 2022.

© Wei-Tsan Liu. Courtesy Yahon Chang Studio

„Gallery Weekend“-Performance: Yahon Chang zu Gast in St. Elisabeth

Der 75-jährige taiwanesische Kalligraf Yahon Chang zeigt eine Malerei-Performance in St. Elisabeth im Rahmen des Berliner „Gallery Weekend“.

Am Samstag wartet die St. Elisabeth-Kirche in Berlin Mitte mit einer außergewöhnlichen Darbietung zum Gallery Weekend auf: Der taiwanische Tuschemaler Yahon Chang ist anlässlich des Book Launch seines Katalogs „Yahon Chang. Painting as Performance“ bei Hatje Cantz aus Taipei, Taiwan, angereist, um eine seiner seltenen Performances aufzuführen.

Nicht nur für Berlin und Deutschland wird es eine Premiere sein, sondern europaweit. Zuvor hat er in dieser Dimension nur in Taipei und New York aufgeführt. Was ist nun so spektakulär an Yahon Chang?  

Malen bis zur Erschöpfung

Auf vier jeweils 15 Meter langen Leinenstoffbahnen wird der Künstler mit überdimensionalen Pinseln und Tusche malen. Fast eine Stunde lang. Ohne Pause. Es wird nur diesen einen Termin geben, denn die Performance verlangt ihm körperlich alles ab.

Der 75-jährige Maler erzählt, wie er 2011 in Busan, Korea, nach seiner allerersten Darbietung schweißgebadet und vor Erschöpfung den Pinsel fallen lassen musste. Inzwischen bereitet er sich besser vor: Er arbeitet stets ortsspezifisch. Bereits einige Tage vor der Aufführung muss er den Ort allein aufsuchen. Er atmet den Ort ein, spürt der Energie des Raums nach, geht in einen Dialog mit dem Raum. Meistens genügen 15 Minuten Stille.

Veränderte Energie im Raum

Am Tag der Performance dann spürt er die Anwesenheit des Publikums im Raum, die veränderte Energie. „Innerhalb einer Minute erscheinen mir mindestens zehn Bilder vor dem inneren Auge. In dem Moment weiß ich, was ich malen werde und fange an.“

Für die Berliner Performance hat er 18 Töpfe Tusche und eine große Auswahl an Pinseln in jeder Größe im Gepäck. Es kommt nicht selten vor, dass die Pinsel im Eifer des Gefechts zu Bruch gehen.  

Der Flügelschlag des Kranichs

Die mentale Vorbereitung ist die eine Seite des Prozesses. Körperlich bereitet er sich mit Tai Chi und Kung-Fu Übungen vor. Dabei spielt die richtige Atemtechnik eine entscheidende Rolle, wenn es um das Haushalten der Kraft geht. Manche Bewegungen folgen dem Fluss des Schattenboxens, andere erinnern an die kraftvollen Flügelschläge des Kranichs, denn Yahon Chang praktiziert den Kranich-Stil der Shaolin-Schule.

Im Moment des expressiven Malens baut er eine Beziehung zu seinem Innersten, zu den Menschen im Raum, zum Ort, zur Natur, zur Welt auf. Alles wird eins. Die Grenzen verschwinden.  „Es hört sich vielleicht verrückt an, aber so ist es. Mal führt der Pinsel meine Hand und mal meine Hand den Pinsel.“ 

Musik von Isang Yun

Begleitet wird die Berliner Performance von Live-Musik. Der koreanische Kurator Manu Park hat vier Musikstücke des berühmten Komponisten Isang Yun ausgewählt, der lange in Berlin gelebt hat. Sie werden am Samstag von Adele Bitter auf dem Violoncello und Holger Groschopp am Piano interpretiert. Der 1995 verstorbene Isang Yun gehörte zur Generation von John Cage und Nam June Paik. Wie kein anderer Komponist verstand er es, ostasiatische Musiktraditionen mit Techniken der westlichen Avantgarde zu verschmelzen. 

Die Elisabethkirche, ebenfalls gebaut von Schinkel.
Die Elisabethkirche wurde von Karl Friedrich Schinkel entworfen.

© picture alliance / Arco Images

Dass der Kurator Manu Park Musik in den Malprozess integriert, ist kein Zufall. Yahong Chang sieht sich in der jahrhundertealten Tradition der chinesischen Literatenmalerei, in der seit jeher Kalligraphie, Musik und Poesie eine Einheit bilden.

Befreiung des Geistes

Bei reichlich Wein brachen die Gelehrten im Schein des Vollmonds aus dem strengen Regime der jeweiligen Kaiser aus. Der Befreiung des Geistes folgte eine Befreiung der Tusche aus den eingrenzenden Umrisslinien. Mit wenigen breiten Pinselstrichen strebten sie stattdessen nach einer tieferen Verbindung zwischen Himmel und Erde.  

Yahon Chang will heute mit seiner Kunst eine neue Ganzheitlichkeit herstellen. In einer Zeit, wo Dualitäten wachsen, Grenzen erstarren, die Welt auseinanderzufallen droht, will er eine neue Spiritualität erschaffen, die eint anstatt entzweit. 

Obwohl seine Malerei vom Zen-Buddhismus geprägt ist, ist Yahon Chang 2009 zum Christentum konvertiert. Insofern schließt sich der Kreis, wenn er am Samstag in der St. Elisabeth Kirche auftritt. Selbst den Glauben hat er geeint. 

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