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Kultur: Ganz Chor

Das Fest der Kulturen in der Philharmonie.

Es ist ja alles so gut gemeint. Den Rundfunkchor treibt die durchaus verständliche Sorge um, dass es in einigen Jahren kein Publikum mehr für anspruchsvolle Chormusik geben könnte. Also setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, um viele Menschen fürs Singen zu begeistern. Auch das Fest der Kulturen, das jetzt zum zweiten Mal in der Philharmonie stattfand, dient diesem Ziel und soll zugleich das multikulturelle Berlin feiern. Allein: Die eingeladenen koreanischen, russischen und türkischen Chöre können natürlich nicht das Niveau der Profis erreichen.

Was in einer anderen Umgebung eine eigene Sogwirkung entfaltet, wirkt im Konzertsaal wie eine Orchideenschau. Menschen werden in folkloristischen Kostümen ausgestellt. Das ist deshalb problematisch, weil der Rundfunkchor selbst im direkten Vergleich umso heller strahlt, vor allem im mittleren Programmblock, der Aufführung von Rodion Shchedrins orthodoxer Liturgie „Der versiegelte Engel“. Was sich der Chor unter Simon Halsey an Substanz, klanglichem Schmelz und Durchschlagskraft erarbeitet hat, kann gar nicht genug gelobt werden. Seine betörend sanften Farbschattierungen verschmelzen auf suggestive Weise mit den nackten, bloßen Körpern der fünf Tänzer, die Lars Scheibe expressiv choreografiert hat. Am Ende wippen und schunkeln wieder 400 Berlinerinnen (Männer melden sich kaum für das Projekt) mit André J. Thomas zu amerikanischen Gospels und Spirituals: „God is great“. Auch eine Art, Gott zu preisen. Aber vor allem sich selbst. Udo Badelt

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