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Daniil Trifonov gilt als Romantiker unter den Star-Pianisten.

© Dario Acosta

Gastspiel des Orchestre National de France: Tanz des Sternenstaubs

Ravel, Skrjabin, Franck: Das Orchestre National de France und Daniil Trifonov betören in der Philharmonie.

Schon der zweite Einsatz der Streicher in der Pavane von Maurice Ravels „Ma mère l’oye“ ereilt einen wie eine Botschaft aus dem Feenreich. Das Orchestre National de France unter Leitung seines Chefdirigenten Christian Macelaru verströmt beim Gastauftritt in der Philharmonie einen zauberisch-erlesenen Ensembleklang. Feinsinnig und doch nie outriert evoziert das ONF weniger die der Suite zugrundeliegenden Märchenerzählungen als Stimmungen und Tableaus.

Allein die Anmut der Prinzessin im Gesang der Klarinette in „Die Schöne und das Biest“. Der federnde Schritt, die Eleganz der Bewegungen, das kräftige, vielfarbige Funkeln des sich am Ende in Sternenstaub auflösenden dissonanten Espressivo  – ja, es gibt sie, die alle scharfen Kontraste versöhnende französische Klangkultur im Unterschied zur deutschen Tradition. Der 42-jährige Rumäne Macelaru steht fest auf beiden Beinen am Pult und dirigiert mit Fingerspitzengefühl: Schon seine Körperhaltung verrät, dass ihm das Analytische und das Psychologische gleichermaßen am Herzen liegen.

Der intime, tastende Ton, den der Romantiker Daniil Trifonov in Skrjabins fis-moll-Klavierkonzert vorgibt, passt dazu nur zu gut. Sein perlender Anschlag, die wie selbstvergessenen, durch alle Lagen huschenden virtuosen Arpeggien gehen manchmal fast unter im Orchester-Tutti. Aber Skrjabins frühes und einziges, in nur wenigen Passagen ekstatisches Solo-Konzert will dieses Almalgam, die Begegnung auf Augenhöhe.

Viele Philharmonie-Besucher sind gewiss wegen Trifonov gekommen, die Ovationen gelten dem Pianisten-Star und seiner so natürlich wirkenden Kunst, bei Crescendi schlicht vergessen zu machen, dass sich bei einer einmal niedergedrückten Taste die Lautstärke nun einmal nicht steigern lässt. Trifonov kann den Ausdruck trotzdem intensivieren. Er bedankt sich beim Publikum mit dem Andante aus Skrjabins 3. Klaviersonate und einer Bearbeitung des Bach-Chorals „Jesus bleibet meine Freude“.

Der Jubel schon vor den Zugaben gilt aber auch dem kongenialen Zusammenspiel mit dem Orchester, vor allem im Andante mit seinen Variationen des innig-beseelten, vom Solisten träumerisch umspielten Gesangsthemas.

Ein Abend voller Friedensvisionen in Krisenzeiten: César Francks d-moll-Symphonie mit dem dreitönigen Wehmuts-Motiv zu Beginn und dem schwelgerisch-energischen Hauptthema setzt diese Anmutung des Utopischen fort. Erneut betört das ONF mit erlesenen Farbmodulationen, wendiger Dynamik und geschmeidig abgefangenen Schlüssen - auch in der schmissigen Zusage, dem Dreikönigsmarsch aus Bizets L’Arlésienne-Suite.

Toll, wie Macelaru mit dem Fortissimo haushalten und bis zum Ende des Finales intensivieren kann. Und wie das gesamte Orchester zu Beginn des Allegrettos mit seiner Pizzicato-Begleitung der Harfe selber zur Harfe wird, bevor das Englischhorn sein Klagelied anstimmt. Diese Musik will nie Recht haben, sie empfängt einen mit offenen Armen.

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