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Boris Pergamenschikow zusammen mit den Pianistin Olga Yablanskaya in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks 1982.

© imago images/United Archives

Gedenkkonzert zum 20. Todestag des großen Cellisten: Boris Pergamenschikow, unvergessen

Wer ihn kannte, schloss ihn ins Herz: Boris Pergamenschikow war nicht nur ein fantastischer Musiker, sondern auch ein außergewöhnlicher Mensch. Drei Freunde erinnern sich.

Die Erinnerungen sind stark und präsent, auch jetzt noch, 20 Jahre nach dem Tod von Boris Pergamenschikow am 30. April 2004. Ein Cellist, ein Geiger und eine Kammermusik-Enthusiastin sitzen an einem Küchentisch in Prenzlauer Berg und schwärmen: von einem Menschen, der seinen Zeitgenossen stets neugierig und zugewandt begegnete, der humorvoll war, nobel und gebildet, gleichermaßen ein brillanter Musiker wie ein begnadeter Lehrer.

1977 hatte sich Pergamenschikow zur Emigration aus Russland entschieden, fand zunächst in Köln eine neue Heimat und wurde 1998 dann als Professor an die Berliner „Hanns Eisler“-Hochschule berufen, wo er buchstäblich bis zum letzten Atemzug unterrichtete, am Ende im Krankenhaus vom Rollstuhl aus. Auf dem Dahlemer Waldfriedhof liegt der Musiker begraben.

Ein brillanter Musiker und begnadeter Lehrer

Claudio Bohorquez, der Cellist in der Küchentisch-Runde, bewunderte Pergamenschikow seit seiner Kindheit, wagte als 14-jähriger erstmals, ihm vorzuspielen und wurde drei Jahre später dann in seine Klasse aufgenommen. Heute ist er selbst Professor an der Eisler-Hochschule. „Sein Unterricht bestand aus Fragen statt aus Anweisungen“, erzählt er. „Boris hat jeden Schüler anders unterrichtet, sich feinfühlig auf ihn eingestellt, um die jeweilige Persönlichkeit weiterentwickeln zu können. Das war seine Kunst.“

Christian Tetzlaff, der Claudio Bohorquez gegenübersitzt, stimmt zu. Er hat Pergamenschikow durch den Pianisten Lars Vogt kennengelernt, gemeinsam sind sie viel als Trio aufgetreten. „Es war immer sehr rührend mit ihm, weil für ihn einfach alles wichtig war“, erinnert sich der Geiger. „Und weil er den anderen Menschen stets als solchen wahrgenommen hat. Was nicht selbstverständlich war für jemanden aus dieser Generation. 95 Prozent der Lehrer waren gewohnt zu sagen: So ist das, ich weiß es besser.“

Über Musik sprechen zu können, war Boris Pergamenschikow wichtig.

© privat

Pergamenschikow wurde eine echte Vaterfigur für Tetzlaff; der Cellist war Jahrgang 1948, der Geiger ist 1966 geboren. „Ich kenne keinen, der sich so in den Dienst der Komponisten gestellt hat wie er“, fügt Claudio Bohorquez hinzu. Und erzählt dann von der Sache mit der Münze: „Wenn man als Student einen Fingersatz für ein Stück gefunden hatte, meistens unbewusst, konnte es passieren, dass er sagte: Den kenne ich noch nicht, den muss ich sofort ausprobieren! Dann zog er ein Geldstück aus der Tasche und fragte: Darf ich die Lizenz für diesen Fingersatz erwerben?“

Andrea von Bernstorff, die Dritte in der Runde, hat Boris Pergamenschikow als hellwachen, heiteren Zeitgenossen in Erinnerung – „keiner konnte so herrlich Witze erzählen wie er!“  -, aber ebenso auch als Intellektuellen unter den Musikern. „Mein Lieblingsausspruch von ihm war: Wer nicht Dostojewski liest, braucht gar nicht erst anzufangen Cello zu spielen.“ Denn ohne einen weiten Horizont, ohne das Interesse am Kontext, in dem eine Partitur entstanden war, an Malerei und Literatur der Entstehungszeit, schien ihm eine überzeugende musikalische Interpretation unmöglich.   

Die Erinnerung wach halten

Als Vorsitzende des Freundeskreises der Eisler-Hochschule war Andrea von Bernstorff 2005 die Initiatorin des Boris-Pergamenschikow-Preises für zeitgenössische Kammermusik. „Weil es ihm wichtig war, die Werke nicht nur zu spielen, sondern sich auch über ihren Inhalt auszutauschen, gehört es dazu, dass die Teilnehmenden erklären, warum sie die Stücke gerade auf diese Weise aufführen und was sie an der Musik fasziniert.“

Sie war es nun auch, die den Anstoß gab zum Gedenkkonzert anlässlich des 20. Todestages. Ehemalige Schüler Pergamenschikows, die große Karrieren gemacht haben, wie Nicolas Altstaedt, Julian Steckel und eben Claudio Bohorquez, werden sich am 30. April ebenso versammeln wie künstlerische Weggefährten. Neben Christian Tetzlaff ist die Klarinettistin Sharon Kam dabei sowie die Pianistin Kiveli Dörken.

Am 30. April erklingen im Kleine Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt Kompositionen von Beethoven, Saint-Saens, Debussy und Bartok, aber auch von Pergamenschikows Freunden Mauricio Kagel und Krzysztof Penderecki. Eröffnet wird der Abend mit einem Ensemblestück, Pendereckis „Ciacona“ für sechs Celli, zum Finale erklingt dann sogar ein Dutzend dieser Streichinstrumente. Für Julius Klengels „Hymnus“ nehmen Nicolas Altstaedt und Claudio Bohorquez auch ihre Schüler mit auf die Bühne.

„Ich denke eigentlich täglich an ihn, bewusst oder unbewusst“, sagt Bohorquez. „Wenn ich das Cello in die Hand nehme, etwas gelingt mir nicht und ich werde ungeduldig, dann sehe ich ihn vor meinem inneren Auge schmunzeln. Und muss dann selbst auch schmunzeln.“

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