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Festivaldirektor Archil Khetaguri.

© Jana Demnitz

Georgisches Dokumentarfilmfestival CinéDOC-Tbilisi: „Wir geben den kaukasischen Filmemachern eine Stimme“

Noch bis Sonntag läuft das Internationale Dokumentarfilmfestival CinéDOC-Tbilisi in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Im Interview spricht Festivaldirektor Archil Khetaguri über die Bedeutung des Festivals für die Region und über die deutsche Produktion „Pepe Mujica – Der Präsident“, die im Wettbewerb läuft.

Herr Khetaguri, ist es schwierig genug Filme aus Armenien, Aserbaidschan und Georgien für Ihr Festival zu finden?

Der Kaukasus ist eine kleine Region und für viele Filmemacher ist es schwer, ihre Filme zu finanzieren. Hier werden nicht viele Filme produziert, weil es wenig Förderung gibt und weil oft auch das wirtschaftliche Umfeld fehlt, in dem sie entstehen können. Das ist ein Grund, warum es nicht so einfach ist, gute Dokumentarfilme zu finden, die auch in der Kaukasusregion produziert wurden. Der andere Grund ist: Hier in Georgien sind wir mittlerweile recht frei und können tun und lassen, was wir möchten. Es gibt keinen Druck mehr von Seiten der Regierung. Über Aserbaidschan kann ich das nicht sagen. Gerade wenn es um politische Inhalte geht, können Filmemacher in Aserbaidschan nicht die Filme realisieren, die sie möchten. Das Regime schränkt dort die freie Meinungsäußerung sehr ein und die Kunstschaffenden arbeiten dort unter Angst. Wir haben versucht, neue und unabhängig produzierte Filme zu finden, aber es ist das erste Mal, dass wir keinen Film aus Auserbaidschan auf unserem Festival zeigen können. Aber insgesamt ist das Interesse am Kaukasus hoch und es werden in anderen europäischen Ländern Filme über diese Region produziert. Deshalb ist es insgesamt nicht schwer für uns, gute Dokumentarfilme über das Leben im Kaukasus zu finden.

Worin sehen Sie die wichtigste Funktion von CinéDOC-Tbilisi?

Wir wollen den georgischen und kaukasischen Filmemachern eine Stimme geben und ihnen einen Ort zur Verfügung stellen, wo sie mit ihrem Publikum kommunizieren können. Neben unserem internationalen Wettbewerb, wo Dokumentarfilme aus der ganzen Welt zu sehen sind, legen wir immer noch sehr großen Wert auf unsere Sektion „Focus Caucasus“. Dieses Jahr zeigen wir beispielsweise Filme, die Geschichten aus Georgien, Armenien, Russland und Tschetschenien erzählen. Unser Ziel ist es, den Menschen hier im Kaukasus kreative Dokumentarfilme zu zeigen.

Welche Dokumentarfilme  werden in diesem Jahr in der Sektion „Focus Caucasus“ zu sehen sein?

Wir haben den armenischen Film „How to Cross“ von Sona Kocharyan and Marine Kocharyan im Programm. Die Regisseurinnen erzählen darin die Geschichte eines jungen Mädchens, die in einem geteilten Dorf an der Grenze zwischen Armenien und Georgien lebt. Vom Schweizer Regisseur Nicola Bellucci zeigen wir den Dokumentarfilm „Grozny Blues“, der demnächst auch auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig laufen wird. Es geht darin um vier Frauen, die im heutigen Tschetschenien versuchen, an die Schrecken und Verbrechen während des Tschetschenien-Krieges zu erinnern. Für die Frauen ist das schwierig und auch gefährlich, denn die Regierung unter Präsidenten Kadyrov würde allzu gerne nichts mehr davon wissen. Zu sehen ist außerdem der russische Film „Be my Brother“ von Olga Maurina. Darin wir die Geschichte von Oksana und Denis erzählt. Sie sind an Leukämie erkrankt und können nur durch eine Knochenmarkspende überleben. Und natürlich haben wir auch georgische Filme im Programm: „Black Square“ ist ein Film über eine drogenabhängige Frau, die während des Zusammenbruchs der Sowjetunion im Gefängnis war und sich im heutigen Georgien zurechtfinden muss. Der Film „Pirimze“ beschäftigt sich hingegen mit dem Leben in der georgischen Hauptstadt Tiflis nach dem Ende der Sowjetunion.

Wer kommt zu Ihrem Festival?

Im ersten Jahr, 2013, hatten wir und rund 4000 Besucher. Damals war das gesamte Festival aber noch kostenlos. Letztes Jahr haben wir Ticketpreise eingeführt und die Besucherzahlen gingen zurück. Die Menschen müssen sich hier erst daran gewöhnen, dass sie für Dokumentarfilme etwas bezahlen müssen. Dieses Jahr hatten wir im Vorfeld eine viel bessere Werbung und wir erwarten wieder steigende Zahlen. Wir haben bisher sehr gute Rückmeldungen in den Sozialen Medien. Vor allem die jungen Menschen sind sehr an den Dokumentarfilmen interessiert. Wir erwarten dieses Mal mehr als 4000 Besucher. 

In diesem Jahr ist Israel Partnerland des Festivals. Warum haben Sie sich für die Kooperation entschieden?

Bereits im vergangen Jahr war der israelische Film „Do you believe in Love“ unser Eröffnungsfilm und wir hatten auch einige israelische Filme im Programm. Israel hat zudem eine reiche Dokumentarfilmkultur und dort werden qualitativ hochwertige Filme produziert. Außerdem haben Israel und Georgien aufgrund ihrer geografischen und politischen Situation einige Gemeinsamkeiten. Wir haben Konflikte mit Abchasien, Ossetien und Russland. Und auch Israel hat Probleme mit seinen Nachbarn. Die israelischen Dokumentarfilmer haben einen interessanten Weg gefunden, in ihren Filmen die Probleme im Land zu skizieren. Israelische Filme überschreiten politische Grenzen, dem Zuschauer werden offen die Konflikte gezeigt. Der georgische Dokumentarfilm kann eine Menge von diesen Filmen lernen. Wir wissen z.B. absolut nichts darüber, was in Abchasien gerade los ist. Es gibt kaum Filme aus Abchasien und es gibt auch keine Filme aus Südossetien. Unabhängig davon wie die politische Situation dort gerade ist, aber ich denke, wir müssen versuchen, auch über diese Region Film zu drehen. Und deshalb haben wir uns für Israel als Partnerland entschieden. Zudem stehen wir kurz vor der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages mit Israel, um uns zukünftig bei Filmproduktionen gegenseitig zu unterstützen.

Dieses Jahr gibt es die Sektion „Women in Frame“, die sich speziell den Frauen vor und hinter der Kamera widmet. Warum haben Sie sich für diesen Schwerpunkt entschieden?

Frauen haben eine lange Tradition im georgischen Film. Und heute gibt es tatsächlich mehr Dokumentarfilme von Frauen in Georgien als von Männern. Früher zu Sowjetzeiten war das Filmbusiness aber fest in der Hand von Männern und sie hatten die Macht. Georgien ist heute immer noch ein sehr patriarchales Land, aber die Technologien haben sich total verändert. Im Vergleich zu den damaligen Zeiten können Filme heute mit kleinen Kameras und weniger Geld produziert werden. Dadurch kommen jetzt auch all die kreativen und sehr aktiven Frauen in Georgien zum Zuge. Schon im vergangenen Jahr hatten wir viele interessante und originelle Filme von Regisseurinnen im Programm. In diesem Jahr wollten wir den Frauen wieder eine Plattform bieten.

Im internationalen Wettbewerb läuft die deutsche Produktion „Pepe Mujica – Der Präsident“ von der Schweizer Regisseurin Heidi Specogna. Warum haben Sie diesen Film ausgewählt, in dem es um den ehemaligen Präsidenten von Uruguay, Pepe Mujica, geht, der auch als der „ärmste Präsident der Welt“ bezeichnet wurde.

Wir fanden diese persönliche Geschichte eines ehemaligen Präsidenten sehr interessant. Wenn Politiker erst einmal in solch einer Machtposition wie ein Präsidentenamt sind, verstecken sie oft ihre Persönlichkeit. Aber in diesem Film kommt der Charakter von Pepe Mujica recht deutlich zum Vorschein. Er ist jemand, der nah dran an den Menschen sein möchte und der mit ihnen redet. Heute ist er zwar kein Präsident mehr und er hat auch nicht mehr viel Macht, aber die Menschen lieben ihn immer noch. Für mich ist Mujica auch ein Beispiel dafür, wie ein Präsident zu sein hat: weniger ein Politiker und viel mehr jemand, der in Kontakt mit seiner Bevölkerung stehen muss. Pepe Mujica hat in seiner Amtszeit z.B. Marihuana legalisieren lassen. Er selbst war darüber nicht glücklich, aber er sah sich die Fakten  dazu an und fällte daraufhin diese weise Entscheidung. Hier in Georgien führen wir aktuell auch eine Debatte über die Entkriminalisierung von Marihuana. Auch deshalb hat der Film für uns einen wichtigen Aspekt. Hier kann heute schon jemand verurteilt werden und ins Gefängnis kommen, wenn ihm nur der kleinste Besitz der Droge nachgewiesen wird.

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