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Kasper König als Sammler: Geschenkt, getauscht, gewidmet

In der Galerie Thomas Fischer offenbart sich, welche Kunst der bedeutende Kurator Kasper König sammelt.

Die Idee stammt nicht von ihm. Kasper Königs Assistent Andreas Prinzing hatte den schönen Einfall. Schließlich ist er Tag für Tag an seinem Arbeitsplatz im Büro des Kurators nicht nur von dessen Büchern, sondern auch den vielen im Lauf der Zeit zusammengekommenen Bildern umgeben. Warum also nicht einmal offiziell die Privatsammlung des Ausstellungsmachers zeigen? Wie kaum ein anderer in Deutschland bestimmte er in den letzten vierzig Jahren den Kunstdiskurs mit.

König prägt das Kunstleben seit Jahrzehnten

Auf Königs Konto gehen die großen Überblicksausstellungen „Westkunst“, „Von hier aus“, die Skulptur Projekte in Münster, die Petersburger Ausgabe der europäischen Wanderbiennale Manifesta. Hinzu kommen die prägenden Jahre als Direktor der Frankfurter Städelschule sowie des Kölner Museum Ludwig; die vielen Jurys und Berufungskommissionen, an denen er teilnahm. Womit sich so einer umgibt, was und wen er mag, welche Bilder bei ihm im Büro wie zu Hause hängen oder in Schubladen lagern, das ergibt nicht nur ein Panorama seiner Wegbegleiter und Künstlerfreunde, sondern erzählt auch ein Stück jüngerer deutscher Kunstgeschichte.

Aber wie es die Art des 74-jährigen Networkers ist, der humorvoll, mit Understatement und doch in der Sache präzis seine Projekte umsetzt, kommt auch die Ausstellung seiner Sammlung völlig unprätentiös daher. Man muss sie entdecken: im Haus H der Mercator-Höfe, wo einst der Tagesspiegel residierte, dort im ersten Stock in der Galerie von Thomas Fischer. Mit ihm zusammen hat Andreas Prinzing aus dem Fundus geschöpft und mit rund 90 Werken etwa ein Achtel der Sammlung zutage gefördert.

Beuys schenkte ihm ein Bild, Hannah Höch bedankte sich

Wer jetzt die großen Namen, jene Bilder erwartet, die auch von den Museen immer wieder als Leihgaben angefordert werden, wird enttäuscht. Es gibt kein Werk von On Kawara, Gerhard Richter, A. R. Penck oder William Copley. „Angeberei wäre das geworden“, erklärt König. Trotzdem beginnt die Schau mit einem Tusch: Michael Reiters „Sonnenwende“. Sie besteht aus verschiedenen gestreiften Markisenstoffen, die der Künstler bei der Übernahme seines Ateliers als Überbleibsel vorfand und miteinander kreisförmig vernähte, anschließend da und dort übermalte, „Rauschenberg für Doofe“, kommentiert König das Bild mit liebevollem Spott, das sowohl in seiner Frankfurter als auch der Kölner Wohnung hing. Erst jetzt wurde das zuletzt schnöde in der Mitte gefaltete Stück wieder hervorgeholt und sorgt durch seine Frische und Gewitztheit für Stimmung. Man könnte auch sagen: „Buren für Spaßvögel“. Darauf erwidert an der Wand gegenüber Stefan Müllers „Ringo“ ebenfalls mit farbenfrohen Kreisen, die sich erst bei genauerer Betrachtung als Elemente eines Schlagzeugs zu erkennen geben.

Mit diesen beiden Bildern sind auch schon die größten Stücke der Ausstellung benannt, die meisten anderen sind kleinteilig: Postkarten, Grafiken, Fotografien, Editionen, Memorabilien, die die ganze Wand im Hauptausstellungsraum in Petersburger Hängung bedecken. Hier beginnt eine Reise in die Vergangenheit. Unter den über 60 Werken befindet sich etwa eine Karte der großen Collagistin und Dadaistin Hannah Höch, die dem Jungkurator 1965 im Anschluss an seinen Besuch in ihrem Reinickendorfer Domizil unter eine kleine, verhuschte Zeichnung die Zeilen schrieb: „An Herrn Rudolf König, weil er so nett war“. Nicht weit davon hängt eine Zeichnung von Beuys, die noch aus der Zeit seiner Kriegsgefangenschaft stammt, wie König erzählt. Ein Geschenk des Künstlers, die beiden kannten sich gut.

Die Schau spiegelt Königs Neugier und Offenheit

So manches Werk kam en passant als Geschenk, Neujahrsgruß wie just von Thomas Hirschhorn, als Jahresgabe von Kunstvereinen – wie Candida Höfers Fotografie von der Bibliothek der Städelschule – oder im Tausch in die Sammlung, deren sympathische Beiläufigkeit einen als Ausdruck eines an Begegnungen reichen Kuratorenlebens sofort einnimmt. „I dreamed I was leaving on a trip but I forgot my money“ lautet der Titel einer Buntstiftzeichnung von Jonathan Borofsky aus dem Jahr 1973. Ihn übernahmen auch Thomas Fischer und Andreas Prinzing für ihre Ausstellung, um auf diese Weise das permanente Unterwegssein, die Offenheit und Neugier Kasper Königs zu erfassen.

„Ich bin wirklich kein Sammler“, betont der Kurator trotz seiner die Dimensionen einer gewöhnlichen Wohnung längst sprengenden Kollektion. König versteht seinen Besitz vielmehr als ein Zeichen der Wertschätzung jener Künstler, mit denen er zusammengearbeitet hat. Dass diese Wertschätzung auf Gegenseitigkeit beruht, lässt sich auch an den vielen Porträts ablesen, die sich da und dort in der großen Bilderwand verstecken. Borofksys Ausstellungsplakat für den Portikus zeigt die Silhouette eines Eierkopfs mit Königs signifikanten Ohren. Auch Thomas Bayrle betonte auf charmante Art dieses Detail in seinem Porträt.

Wer das Vergnügen hat, mit König selbst durch die Ausstellung zu gehen, erfährt Geschichten zu den verschiedenen Werken. Zum Beispiel jene von der kleinen improvisierten Bar, die der Künstler Reinhard Mucha 1981 zusammen mit Jürgen Drescher schuf. Davor stehen von der Bundesbahn ausrangierte Fußstützen. Weil König vergaß, die zweite Rate für das aus Fundstücken zusammengebaute Objekt zu bezahlen, verblieb es zur Hälfte im Besitz des Galeristen Max Hetzler. Als dieser es zuletzt präsentierte, war es ein klassisches Ausstellungsstück, bei der Eröffnung in der Galerie von Thomas Fischer diente die Bar wieder ganz praktisch als Getränkeausschank.

Galerie Thomas Fischer, Potsdamer Str. 77–87, Haus H, bis 31. 3.; Di–Sa 11–18 Uhr

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