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MartinSuter und Benjamin von Stuckrad-Barre

© Diogenes Verlag

Gesprächsbuch "Alles ist so ernst geworden": Martin Suter, Benjamin von Stuckrad-Barre und der Geist der Popliteratur

Badehosen, Tiefseefische, Glitzer und die Kirche: Die Schriftsteller Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre plaudern um die Wette.

Der Titel ist schon eine Wucht: „Alle sind so ernst geworden.“ Dass passt zu unserer Corona-Pandemie-Zeit, das war aber auch die Jahre zuvor nicht so viel anders.

In dieser Feststellung schwingt natürlich mit, dass es früher bessere Zeiten gab, die einfach nur gut klangen. Die achtziger Jahre zum Beispiel, in denen der Spaß bekanntlich am allergrößten war. Oder die späten neunziger, frühen nuller Jahre, in denen der Popjournalismus und die Popliteratur ihre große Blüte hatten.

Und es ist denn auch der Geist dieser Zeit, der durch das Gesprächsbuch von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre mit eben jenem Titel weht; der Geist, der an den der fünf Herren erinnert, darunter Stuckrad-Barre, die sich seinerzeit zum Plaudern über die „Tristesse Royale“ im Adlon traf.

Allein die Website von Suter ist großartig

Der Schweizer Schriftsteller, der nicht ganz so fabelhafte Bücher schreibt, wie Stuckrad-Barre das hier behauptet, der aber wirklich fabelhaft erfolgreich damit ist, und der aus Göttingen stammende Pop-Schriftsteller: Sie scheinen sich an der Ostsee kennengelernt zu haben, in Badehose, Suter trug angeblich eine signalfarbene (vielleicht war es auch anders); und dann haben sie sich immer mal wieder getroffen, um sich für einen Podcast auf Martin Suters Website zu unterhalten.

Diese Website im übrigen sucht unter denen von Autorinnen und Autoren sicher ihresgleichen, was Hege und Pflege betrifft. Allein, wie hier Menschen von Sascha Lobo über Deichkind bis hin zu Barbara Schöneberger oder Jan Hofer dieses Buch aufs Lustigste bewerben.

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Die soignierten Herren, über siebzig der eine, Mitte vierzig der andere, reden also über Badehosen, Hochzeiten oder das Kochen, über Rechnungen, Fotos oder Drogen, über die Arbeit (wenig) oder die Welt (auch nicht so viel). Und auch über Gott.

An den glauben beide nicht, der hat aber in ihrem früheren Leben schon eine Rolle gespielt: Suters Großmutter war eine "kindlich gläubige Frau“ und Stuckrad-Barre ist der Sohn eines Pastors, „und wir wohnten direkt neben der Kirche. Und diese Kirche und alles mit ihr Zusammenhängende bestimmte komplett unseren Alltag.“

Es geht um Klamotten, Einrichtungen, Lifestyle

Ja, doch das eine oder andere aus beiden Biografien erfährt man schon. Doch bevorzugt geht es um Klamotten, Einrichtungen und Styles, um eine bestimmte Haltung zur Welt, snobistisch hier, cool dort, manchmal um Feinheiten der Sprache, manchmal um gar nichts.

Suter und Stuckrad-Barre holen aus vielen Belanglosigkeiten raus, was rauszuholen ist: aus dem im Hause Suter herumliegenden Glitzer genauso wie aus unser aller Siri oder den räuspernden „Äähms“, die der eine als „Verfertigen des Gedankens beim Lallen“ bezeichnet, der andere, als „Ausdribbeln des Gegenübers, das ja auch was sagen möchte.“

Das ist phasenweise durchaus öde und unwahrscheinlich langweilig, weil halt über die Maßen verschwatzt. Das macht aber oft auch Spaß, gar nicht, weil es so witzig ist, sondern so herrlich aus der Zeit gefallen.

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