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Kultur: Gewalt und Überzeugung

Um es gleich vorweg zu nehmen: Nicht Angelica Domröse war, wie groß angekündigt, der "Star" dieses Abends im Schauspielhaus.Die Schauspielerin reihte sich im beigen Mao-Kampfanzug unter die vier Agitatoren von Hanns Eislers "Maßnahme" ein.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Nicht Angelica Domröse war, wie groß angekündigt, der "Star" dieses Abends im Schauspielhaus.Die Schauspielerin reihte sich im beigen Mao-Kampfanzug unter die vier Agitatoren von Hanns Eislers "Maßnahme" ein.Star war vielmehr die junge Salome Kammer: Als Cellistin, Schauspielerin und Sängerin in vielen Genres zwischen Musical und Neuer Musik zu Hause, ist sie für Brecht/Weills "Die sieben Todsünden" die Idealbesetzung.Als in zwei Persönlichkeiten gespaltene "Anna" - die "vernünftige" schickt hier quasi die "schöne, verrückte" auf den Strich - schöpft sie alle glamourösen stimmlichen und optischen Möglichkeiten aus.Eben noch im nüchtern-harten Sprechgesang, zeigt plötzlich ein winziges Vibrato des gesungenen Tons das unterdrückte Gefühl, das wiederum in Ironie umkippen kann.Das Haus in Louisiana steht schließlich da - auch mit Hilfe der um Erleuchtung ihrer Kinder betenden Familie: Jan Sulikowski, Albrecht Sack, Matthias Hoffmann und Reinhard Decker sind ein wunderbares Quartett nach Art der Comedian Harmonists, von wohlklingender Bigotterie.

Kammer im straßfunkelnden Zwanziger-Jahre-Look zeigt auch gleich die Attraktivität dieser verderbten Kapitalistenwelt.Um bei ihrem "Swing" dabeizusein - den Johannes Kalitzke mit der MDR-Kammerphilharmonie farbig-präzise unterstreicht -, sind Todsünden wie Mitleid, Liebe oder gerechter Zorn zu unterlassen.Im Lehrstück "Die Maßnahme" behaupteten Bert Brecht und Hanns Eisler 1933 die Notwendigkeit des Parteigehorsams rigoros wie nie und legten damit - vielleicht unbewußt - den Finger auf dieselbe Wunde: Auch die "gute" Macht verlangt die Unterwerfung.Walter Niklaus inszeniert die "Untersuchung" um den jungen Genossen, der mit seinen Gefühlsaufwallungen die revolutionäre Arbeit gefährdet und darum "verschwinden" muß, zunächst geradlinig durch, mit einem Schuß Naturalismus, der die heutige Fragwürdigkeit eher verstärkt.Auch Eislers Musik erhält hier mit brutalen Blechbläsern und Marschtrommeln, die den eher wie in Bachs "Matthäus-Passion" aufsingenden "Kontrollchor" des MDR oft übertönen, wieder etwas merkwürdig "Staatstragendes".Und dann gerät man unversehens doch in den Sog dieses Widerspruchs von Gewalt und Überzeugung.Stärkste Ausstrahlung entfaltet dabei Götz Schulte, von der so anders verfremdeten Emmerich-Inszenierung am BE ausgeliehen, der das "Reislied" schön wie von Puccini und damit umso eindringlicher singt.

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