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„Gran Turismo“-Fan Jann Mardenborough (Archie Madekwe) wechselte 2012 als jüngster E-Sportler zum professionellen Motorsport.

© Gordon Timpen

Das Game „Gran Turismo“ im Kino: Plötzlich steht die Zeit still

Vom Videogame ins Kino: Neill Blomkamp verfilmt mit „Gran Turismo“ die unglaubliche Geschichte des Rennfahrers Jann Mardenborough, der als Teenager an der Playstation trainierte. Sieht so die Zukunft von Hollywood aus?

Von Andreas Busche

Wenn Jann hinter dem Cockpit seines Nissan sitzt, kann sich der Rennwagen schon mal in eine 3D-Animation verwandeln und sich in seine Einzelteile zerlegen. Plötzlich befindet sich der Teenager wieder in seinem Jugendzimmer hinter der Konsole, von der holografischen Außenhülle des Autos wie von einem Kokon eingehüllt.

Dieses Gefühl – wenn sich die Zeit um ihn herum verlangsamt, während er mit knapp 300 km/h einen virtuellen Rennparcours entlangrast –, versucht er seiner Jugendfreundin Audrey zu erklären, lässt sich mit nichts vergleichen. Die Erfahrung der Immersion ist auch das ultimative Versprechen des 3D-Kinos: das Gefühl, dass sich der Kinoraum um einen herum auflöst.

Hollywood plus Game-Branche plus Autoindustrie

Von der Rennsimulation zum Kinofilm ist es im Prinzip nur ein kleiner Schritt, als erster früher Versuch gilt Disneys Computerspielfantasie „Tron“ von 1982. Damals war das Internet noch eine versponnene Utopie kalifornischer Nerds, die Idee der Vernetzung wurde aber schon zwei Jahre später mit William Gibsons Cyberpunk-Roman „Neuromancer“ in einem eigenen Subgenre literarisch.

Fast unschuldig wirkt diese Zeit heute im Anbetracht eines Filmes wie „Gran Turismo“, der nach dem Playstation-Game des japanischen Entwicklers Kazunori Yamauchi benannt ist.

Polyphonys „Gran Turismo“ war 1997 kein bloßes Computerspiel, sondern eine Art Simulator, in dem sich Spieler unter realistischen Bedingungen auf den Parcours von Silverstone, Hockenheim und Le Mans Rennen liefern. Über 80 Millionen Spiele wurden bis heute verkauft. Nun versucht der japanische Unterhaltungskonzern Sony, der die Playstation entwickelt hat, sozusagen den umgekehrten Netflix-Trick: eine brachliegende Zielgruppe von der Couch ins Kino zu locken.

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Gerade durchbrach der Spielzeughersteller Mattel mit seinem „Barbie“-Film an den Kinokassen die Schallmauer von einer Milliarde Dollar – und Hollywood feiert Greta Gerwigs Product-Placement-Spektakel gleich als Rettung des Kinos. Diese Entwicklung ist natürlich nicht neu, und „Gran Turismo“ ist auch nicht das erste Playstation-Spiel, das seinen Weg in ein neues „Erzählmedium“ findet.

Die HBO-Serie „The Last of Us“ war sogar eine überraschend inspirierte Adaption eines originalen Playstation-Games. Aber der „Barbie“-Hype – mit 13 weiteren Mattel-Filmen in verschiedenen Planungsphasen – ist die Realität, in die das Rennfahrer-Biopic des südafrikanischen Science-Fiction-Spezialisten Neill Blomkamp nun hineinplatzt.

Er wolle die Träume von 80 Millionen Spielern wahr werden lassen, erklärt der Nissan-Marketingexperte Danny Moore (Orlando Bloom) zu Beginn den skeptischen Konzernchefs. Sein Plan: eine Akademie für die besten Gamer der Welt, die um einen Startplatz im Rennsportteam des japanischen Autoherstellers konkurrieren.

Jann (Archie Madekwe), Matty (Darren Barnet) and Antonio (Pepe Barroso) an der Rennstrecke von Le Mans.

© Gordon Timpen/Sony/Gordon Timpen

Die Akademie gibt es tatsächlich seit 2008. Videogame plus Kino plus Auto: „Gran Turismo“ ist ein wahrer Marketingcoup für Hollywood, perfektes Branding. Man muss das wohl so desillusioniert konstatieren.

Die Tradition des Sportdramas

Die Geschichte von Jann Mardenborough (Archie Madekwe, der einen fast vergessen lässt, dass wir es hier mit einem kühl kalkulierten Produkt zu tun haben) ist aber auch wie fürs Kino gemacht. Ein schwarzer Junge aus einfachen Verhältnissen (sein Vater war Amateurfußballer) verwandelt seine Leidenschaft für Autorennen tatsächlich in einen Lebenstraum und belegte 2013 im Alter von 22 Jahren bei den „24 Stunden von Le Mans“ mit Nissan den dritten Platz.

Folglich gibt es jede Menge Motivationsreden, vor allem vom toughen Renncrew-Leiter mit dem weichen Kern (David Harbour). „Gran Turismo“ steht auch in der Tradition des Sportdramas.

Wie nicht anders von Blomkamp zu erwarten, sind die Renn- und Crashszenen viszeral: Der Regisseur hat größtenteils mit echten Sportwagen gedreht, was die Action auf der Rennstrecke extrem realistisch macht. Mit visuellen Zitaten aus dem Spiel hält sich „Gran Turismo“ wohltuend zurück, das Drehbuch von Jason Dean Hall und Zach Baylin versucht – trotz Adrenalin- und Oktan-Überschuss – der Biografie von Mardenborough auch emotional gerecht zu werden. Der fungiert als Ko-Produzent des Films: Die Kontrolle über die eigene Geschichte ist heute mindestens so wichtig wie die Marke.

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