zum Hauptinhalt
Volksbühnen-Schauspielerin Margarita Breitkreiz in „Geschlechterkampf“.

© Filmgalerie 451

„Geschlechterkampf“ im Kino: Links-rechts-Kombination gegen das Patriarchat

Gegenstück zum Barbie-Feminismus. Sobo Swobodnik führt in der Diskurskomödie „Geschlechterkampf – Das Ende des Patriarchats“ den Sexismus des Kulturbetriebs vor.

Ein Franchise-Film aus Hollywood über eine Spielzeugpuppe und ein Berliner Low-Budget-Konzeptfilm können nach allen Maßstäben der Kunst nicht allzu viel miteinander gemein haben. Aber weil Greta Gerwigs „Barbie“ in diesem Kinosommer so omnipräsent ist und den Feminismus semi-ironisch als Corporate Identity vermarktet, drängt sich der Vergleich mit dem dezidiert feministischen Werk von Sobo Swobodnik (Buch und Regie) und Margarita Breitkreiz (Buch und Hauptrolle) einfach auf.

Ach, merkt man, auch hier: Männer als Witzfiguren, intersektionale Frauensolidarität, ein Meer an Zitaten – und ein pinkes Filmplakat.

Männer heißen auch gerne mal „die Schwänze“

Die Straßenästhetik von „Geschlechterkampf – Das Ende des Patriarchats“ könnte der Bubblegum-Szenerie von Barbieland freilich ferner kaum sein. Und vor allem geht es diesem Film um einen anderen Feminismus.

Um einen, der für Frauen im Kapitalismus auch ökonomische Not sieht – und nicht nur soziale Chancen. Der gesellschaftliche Umverteilung, Antirassismus und ökologischen Wandel mit der Geschlechterfrage verknüpft. Der die Männer – oder wie es im Film gerne mal heißt: „die Schwänze“ – nicht aus ihrer emotionalen Verkrustung befreien, sondern ihnen erst einmal in die Weichteile treten will.

Der Begriff „Geschlechterkampf“ klingt 2023 seltsam altmodisch, hier aber ist er wörtlich zu verstehen. Schon in der Titelsequenz verpasst Margarita Breitkreiz in Boxhandschuhen der Kamera eine Links-rechts-Kombination.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Um die Schauspielerin aus dem Volksbühnen-Kosmos ist der Film gebaut, sie spielt eine Version ihrer selbst. Mit Anfang 40 befindet sich Marga in einer schmerzhaften Karrierekrise. Die Rollenangebote sind plötzlich rar, seit 14 Monaten bekommt sie Stütze vom Jobcenter. Immer wieder versucht sie zu erklären, dass sie eigentlich eine erfolgreiche Schauspielerin ist. „Ich habe mit Castorf gearbeitet. Ich war Medea!“, sagt sie ihrem Arbeitsvermittler.

Lars Rudolph spielt diesen Beamten mit gequälter Mine und einem treffend zugespitzten Nonsens-Jargon, der jedem mit eigenen Erfahrungen in dieser Welt unliebsame Flashbacks geben wird. Einmal versucht er Marga ein Coaching-Programm fürs Callcenter schmackhaft zu machen. „Sie werden da fantastische Dinge lernen: Befragungen, Umfragen, Anfragen, Ausfragen, Nachfragen.“

Traurige Speerspitze des Patriarchats

Die Film- und Theaterbranche ist bekanntlich eine traurige Speerspitze des Patriarchats. Der exorbitant hohe Gender-Paygap, die sexuellen Übergriffe der Kulturmänner, die besondere Diskriminierung von Schauspielerinnen mittleren Alters – das alles ist Marga in ihrer Krise bewusst, wird zum Antrieb, sich gegen die Zumutungen des Patriarchats zur Wehr zu setzen.

„Geschlechterkampf“ macht daraus kein klassisches Erzählkino, sondern – ähnlich wie die 2021 verstorbene, ebenfalls dem Volksbühnen-Kontext entstammende Tatjana Turanskyj – einen diskursiven Hybridfilm. Ein Textkonvolut feuert hier auf allen Ebenen: Voice-over, Schrifttafeln, Dialoge, Interviews, Songs. Immer wieder blickt Breitkreiz in die Kamera und zitiert Bonmots von Rosa Luxemburg über Simone de Beauvoir bis Laurie Penny.

In Interviewsequenzen treten mit Reyhan Şahin (aka Lady Bitch Ray), Teresa Bücker und Michaela Dudley drei überaus einflussreiche feministische Stimmen in Deutschland auf. Und in den szenischen Episoden verkörpern Daniel Zillmann (als urbaner „Buffalo Bill“), Alexander Scheer (als Callcenter-Chef) und Martin Wuttke (als Immobilien-Investor) die so realen wie lächerlichen männlichen Machtansprüche.

Man wünscht sich, all diese Elemente würden als Film besser funktionieren. Die Szenen, in denen sich Marga handfest gegen sexistische Erfahrungen wehrt, wirken trotz des versammelten Schauspieltalents manchmal wie ein Late-Night-Sketch. Es hilft „Geschlechterkampf“ auch nicht, dass Regisseur Swobodnik das Vorbild für seine Form so offensiv ins Bild setzt: In vielen Einstellungen hängen Godard-Plakate im Hintergrund.

Doch Godards frühe Filme waren fiktionale Essays, voller offener Fragen, überraschender Einfälle, visueller Komik. Sobodniks Film ist hingegen ein Manifest. Ein Manifest allerdings, das die berechtigte Wut vieler Menschen im Kulturbetrieb ansprechen wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false