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Herbert Grönemeyer beim Konzert in der Waldbühne.

© Davids

Grönemeyer in der Waldbühne: „Wir gehen keinen Millimeter nach rechts!“

Nach dem Rechtsruck bei den Wahlen war es erstaunlich still in der Musiklandschaft. Nur Herbert Grönemeyer bleibt politisch. Das zeigt er auch in Berlin.

Als am Sonntagabend die Wahlergebnisse aus Sachsen und Brandenburg bekannt wurden, war es in der deutschen Musiklandschaft erstaunlich still. Der erwartete Rechtsruck war eingetreten, doch von vielen Künstlern war kaum eine Reaktion darauf zu lesen oder zu hören.

Als Herbert Grönemeyer am Dienstagabend gegen viertel nach acht in der Waldbühne auftritt und das Publikum aufruft, sich gegenseitig besser zuzuhören und Verständnis füreinander zu zeigen - was er ganz offensichtlich politisch meint - wird es dafür angenehm laut. Immerhin gut 20.000 Zuschauer passen aufs Gelände, ausverkauft, an zwei Abenden hintereinander.

Zuletzt hatte der Musiker sich oft und energisch zur Lage der Nation geäußert, aber damit hält er sich nun zurück, bis das Publikum mit voller Konzentration dabei ist. Als Opener singt er "Sekundenglück" vom neuen Album und tanzt passend zur Stimme gewohnt stakkatohaft über die Bühne.

Dann legt er mit "Du bist da" - ebenfalls vom aktuellen Album - nach, setzt sich selbst ans Piano, sammelt am Ende einen Teddybären von der Bühne auf und bedankt sich. Lässt anschließend das Publikum singen, stimmt ruhigere Töne an und klatscht sich mit den Fans ab.

Seine Band gibt ihm Rückhalt

Grönemeyer, der Vollprofi, ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie er einer Show die perfekte Dramaturgie gibt, ohne dabei routiniert zu wirken. Und so bringt er zunächst mal seine Hits, macht Scherze auf seine Kosten (“89 Prozent sind laut Umfragen hier, weil ich so gut aussehe”) und stimmt dann “Männer” an. Spätestens jetzt stehen auf den Rängen die meisten und singen so laut wie schief mit.

Seine Band, bestehend aus Bassist Norbert Hamm, Schlagzeuger Armin Rühl, den Gitarristen Jakob Hansonis und Stephan Zobeley, Jazz-Saxophonist Frank Kirchner und dem Keyboarder Alfred Kritzer, mit der er teilweise schon seit 1984 zusammen spielt, gibt ihm den nötigen Rückhalt.

Grönemeyer ist auf Tour mit seinem Album "Tumult", das man insgesamt als politisch bezeichnen kann. So wie Grönemeyer ohnehin ein politischer Künstler ist, vielleicht sogar der engagierteste in Deutschland - jedenfalls in seiner Liga. Dem "Spiegel" sagte er vor einiger Zeit über seine aktuelle Platte, ihm ginge es darum, "herauszufinden, inwieweit wir alle für dieses rechte Gedankengut anfällig sind".

Hart im Kopf, weich in der Birne

Dieses rechte Gedankengut, von dem er spricht, damit meint er die AfD, damit meint er Rassismus und Angriffe auf Flüchtlinge. Ein Thema, das den 63-Jährigen seit Beginn seiner langen Karriere umtreibt. 1993 erschien sein Album "Chaos", dort sang er unter dem Eindruck der Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen "Hart im Kopf, weich in der Birne" über Neonazis. "Tumult" ist da etwas weniger holzhammerartig, schaut mit ruhigerem Blick auf die Themen, die das Land bewegen.

Grönemeyer beherrscht die lauten und leisen Töne, und so weiß er auch, die starken wie subtilen Signale zu setzen. Etwa, indem er als Vorband auf seinen “expliziten Wunsch” die Band Oehl ins Rennen schickt, ein österreichisch-isländisches Gemeinschaftsprojekt.

Nach dem Neonazi-Aufmarsch in Chemnitz sprach Grönemeyer bei der #unteilbar-Demo in Berlin, kurz vor den beiden Landtagswahlen stellte er ein Video bei Twitter, Facebook und Instagram online. Ein leidenschaftlicher Appell gegen den Rechtsruck.

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Das Video wurde hundertausendfach aufgerufen, AfD-Politiker Björn Höcke fühlte sich direkt angesprochen und reagierte bei Twitter beleidigt. Höcke ist ein Mann der Angst. Grönemeyer dagegen ist wohl das, was Höcke gern wäre: ein Mann des Volkes. Das wird in der Waldbühne schon beim Blick ins Publikum offensichtlich.

Funktionsjacken und Fanshirts, Sitzkissen und Sonnenbrillen, die meisten zwischen Mitte 40 und Mitte 50 an diesem ersten schon herbstlich kühlen Abend. Zu guten Teilen bürgerlich, möchte man fast sagen, wäre der Begriff derzeit nicht eher negativ besetzt.

Die viel beschriebene Mitte der Gesellschaft, so sieht sie also aus. Und wenn das hier ihr Querschnitt ist, tut es gut zu hören, wie sie applaudiert, wenn Grönemeyer, der Malocher aus Bochum, jetzt in die Menge ruft: "22 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, aber wir sehnen uns alle nach einem Platz, an dem wir uns geborgen fühlen. Das eint uns alle, und das ist doch das Schöne!”

Wir geben den Menschen Schutz

Das ist so eine Grönemeyer-Botschaft, die er punktgenau wie seine “Aahs" und “Oohs” in seine Lieder streut, wenn er für “Doppelherz / Iki Gönlüm” Deutsch und Türkisch singt und den Rapper BKRN auf die Bühne bittet.

Und dann holt er, der Dramaturg, weiter aus für die lauteren Töne: “Ich bin jetzt 63 Jahre alt, und ich habe noch keine solche Zeit erlebt, nur vom Hörensagen. Egal, was die Politiker machen, wir leben hier und wir halten zusammen und wir geben Menschen Schutz, wir gehen keinen Millimeter nach rechts!” Das schreit er mehrfach. Und das Publikum applaudiert, als wäre es einer seiner größten Hits.

Flugzeuge im Bauch

Grönemeyer hat jetzt die Aufmerksamkeit für seine Message, legt nach, spielt “Fall der Fälle”, ein hochpolitisches Lied. Wie ironisch, denkt man, als er schließlich "Bochum" anstimmt, dass man ausgerechnet mit (Lokal-)Patriotismus heute Abend so viel anfangen kann. Ein paar Take vom Bergmannsong Steigerlied und sogar in Berlin werden binnen Sekunden die Handy-Displays geschwenkt.

Grönemeyer bedankt sich ein bisschen zu überschwänglich und zu oft, und doch will man sie ihm glauben, die Demut. Man muss ihn nicht gut finden, um gut zu finden, was er sagt.

Um Punkt zehn beginnt er die Zugaben. "Flugzeuge im Bauch”, unvermeidlich, das weiß er, der Profi. 80 Prozent Spaß, 20 Prozent politische Inhalte dürften am Ende auf der Rechnung stehen. Clever, weil vielleicht der kleinere Teil hängen bleibt. Und am heutigen Mittwochabend spielt er gleich nochmal hier.

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