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Von Monets „Waterloo Bridge“ aus dem sichergestellten Salzburger Fund (kl. F. u.) gibt es keine gute Abbildung. Sie ähnelt aber dieser Version aus dem Jahr 1900. Monet hat eine ganze Serie von "Waterloo Bridge"-Bildern gemalt.

© picture alliance / akg-images

Gurlitt-Fund: Der Sammler als Stratege

Die Augsburger Staatsanwaltschaft gibt grünes Licht: Das erstes Bild aus dem Schwabinger Gurlitt-Fund kann restituiert werden. Und die erste Sichtung der Schätze in Salzburger Konvolut ergibt: Diese Werke sind womöglich noch kostbarer.

Die Sache könnte einen glücklichen Ausgang nehmen – und das vor allem schnell. Das bislang prominenteste Gemälde der Sammlung Gurlitt, „Die Sitzende“ von Henri Matisse von 1924, wird wohl bald in den Besitz der Erben von Paul Rosenberg gelangen. Wenigstens in diesem einen Fall gibt es dann eine Form der Gerechtigkeit und den Angehörigen verfolgter jüdischer Sammler geschieht Genugtuung. Für alle anderen ist das zumindest ein Zeichen des guten Willens.

So dürften es sich die Anwälte von Cornelius Gurlitt überlegt haben, die für ihn die Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft führen und die Kontaktaufnahme zu den Anspruchstellern übernommen haben, die der schwer erkrankte 81-Jährige nicht mehr führen kann. Der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt liegt seit Ende vergangenen Jahres mit einem Herzleiden im Krankenhaus, ein gerichtlich bestellter Betreuer, der Rechtsanwalt Christoph Edel, hat für ihn die Kommunikation mit der Außenwelt übernommen.

Noch muss sich zeigen, ob sich der Deal tatsächlich so schnell, wie von den PR-Strategen erdacht, um die Reputation des alten Herrn zu retten, mit den beiden Enkelinnen von Paul Rosenberg – der US-Anwältin Marianne Rosenberg und Anne Sinclair, der Ex-Gattin von Dominique Strauss-Kahn – abwickeln lässt. Schließlich befindet sich der Schwabinger Fund in Gewahrsam der Augsburger Staatsanwaltschaft, die im März 2012 über tausend Kunstwerke in Gurlitts Münchner Wohnung konfisziert hatte. Das Bekanntwerden der Sammlung und deren Beschlagnahmung sorgte Ende 2013 international für Aufsehen, hatte sich Hildebrand Gurlitt doch als Kunsthändler für die Nazis verdingt und in Frankreich für Hitlers Führermuseum Werke akquiriert.

Seitdem stehen Raubkunst und Restitution ganz oben auf der Agenda der Bundeskulturpolitik, das Thema beherrschte wochenlang die Medien. Cornelius Gurlitt galt als Täter und Opfer zugleich: als systematischer Verhinderer der Rückgabe von Kunst, die im Dritten Reich entwendet worden war, und Nutznießer belasteter Werke auf der einen Seite, auf der anderen als weltfremder Mensch, der nie arbeiten musste und vollkommen isoliert nur für die ihm übereigneten Bilder lebte. Gurlitt taugt damit nur bedingt als Skandalfigur, sein Fall aber bringt ein Problem deutlich wie nie zuvor ans Licht – die ungeklärte Provenienz tausender Werke in Museen und Privathaushalten.

Nächste Woche wollen die Erbinnen des millionenschweren Matisse-Bildes und Cornelius Gurlitt eine Vereinbarung unterschreiben. Am gestrigen Donnerstag schaltete sich jedoch die Augsburger Staatsanwaltschaft und dekretierte zunächst gönnerhaft, Übereinkünfte zwischen Gurlitt und Erben jüdischer Kunstbesitzer eingehend untersuchen zu wollen: „Wenn uns derartige Vereinbarungen vorgelegt werden, werden wir prüfen, ob es möglich ist, Rechten von Geschädigten zur Geltung zu verhelfen, ohne dass Rechte anderer verletzt oder prozessuale Belange beeinträchtigt werden.“ Nur wenige Stunden später, nachdem die Gurlitt-Anwälte noch einmal wissen ließen, dass das Papier schon kommende Woche in Paris unterzeichnet werde, lenkte die Staatsanwaltschaft ein und erklärte sich bereit, das Bild herauszugeben, sobald die Übereinkunft vorliege. Damit rettete sie sich gerade noch vor einer Blamage – schon im Spätherbst war Augsburg Verschleppungstaktik vorgeworfen worden.

{Gurlitt gewinnt allmählich moralisch die Oberhand: Die Provenienz der Salzburger Sammlung lässt er selbst untersuchen.

Der ORF konnte die an einem geheimen Depot sichergestellte Salzburger Gurlitt-Sammlung filmen. Hier ein Blick auf die nun von Restauratoren betreuten Werke, darunter 39 Ölgemälde. Insgesamt sind es 238 Werke, vor allem Zeichnungen.
Der ORF konnte die an einem geheimen Depot sichergestellte Salzburger Gurlitt-Sammlung filmen. Hier ein Blick auf die nun von Restauratoren betreuten Werke, darunter 39 Ölgemälde. Insgesamt sind es 238 Werke, vor allem Zeichnungen.

© ORF/

Überhaupt gewinnt Gurlitt allmählich moralisch die Oberhand in der Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft, deren Beschlagnahmung wegen der Ahndung eines geringfügigen Steuerdelikts immer fraglicher erscheint. Dies zeigt sich auch bei dem nun in Österreich sichergestellten zweiten Konvolut: In Gurlitts Salzburger Haus wurden nicht wie in Deutschland die Behörden tätig, sondern auf Betreiben des Kunsthändlersohns dessen Anwälte und Sachverständige.

Nachdem am 10. Februar im jahrelang unbewohnten Haus im Stadtteil Aigen nochmals 60 Bilder entdeckt wurden, präsentierten die Gurlitt-Anwälte nun die restlichen Funde, die sich in einem zunächst unzugänglichen Bereich des Gebäudes befanden. Insgesamt lagerten in dem Haus 238 Kunstgegenstände, die nun sicher verbracht sind: Silbergefäße, Keramikschalen, 39 Ölgemälde und wie schon in München vor allem Zeichnungen.

Das Salzburger Konvolut scheint weit kostbarer zu sein. So tauchte hier überraschend Claude Monets „Waterloo Bridge, en temps gris“ auf. Das 1903 entstandene Werk, das einst dem Pariser Kunsthändler Paul Durand-Ruel gehörte, wird allein mit 8 bis 10 Millionen Euro bewertet. Außerdem wurden ein Seestück von Edouard Manet, das Bildnis eines Mannes mit Pfeife von August Renoir, das Porträt des Philosophen Jean Journet von Gustav Courbet sowie eine Bronzebüste von Auguste Rodin sichergestellt. Die meisten Werke starren vor Dreck, nun kümmern sich Restauratoren darum.

Damit nimmt der Fall Gurlitt nochmals ein neue Wendung. Nun liegt die Entscheidung beim Kunsthändlersohn, wie mit dem Schatz umzugehen sei. Diesmal geschieht es im Licht der Öffentlichkeit, das Dilemma von Schwabing soll sich nicht wiederholen. Während in Deutschland nach dem internationalen Aufschrei zur Schadensbegrenzung eine Taskforce vom Bund installiert wurde, um Herkunft der Bilder und Ansprüche Dritter zu klären, ist nun auch in Salzburg ein Forscherteam betraut. Allerdings auf Gurlitts Initiative. Das Team, bislang aus zwei Kunsthistorikerinnen bestehend, glaubt schon jetzt überblicken zu können, dass es kaum Anhaltspunkte für Raubkunst gibt. Gurlitts Sprecher hat jedoch in Aussicht gestellt, dass internationale Experten hinzugezogen werden sollen.

Das deutsche Expertenteam, das sich um Erhellung beim Schwabinger Fund bemüht, kann bislang nur wenige Resultate vorzeigen.. Bisher sollen sich sechs Nachfahren gemeldet haben. Eine Spitzweg-Zeichnung, zwei DixWerke, 13 Bilder aus der Sammlung Glaser und ein Liebermann werden zurückgefordert. Das ist wenig und viel zugleich. Selbst wenn die Bilder zurückgegeben werden und es einen glücklichen Ausgang gibt – die Tragik der Opfer bleibt.

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