zum Hauptinhalt
Cinema for Peace in Berlin, 15.02.2016: Ankunft der Gäste.

© dpa

Harald Martenstein zur Berlinale 2016: Nur noch Whisky mit Eis

Die Neunte: Harald Martensteins tägliche Kolumne zur Berlinale. Heute über eine merkwürdige Gala und noch ein Wort zu Ai Weiwei.

Die Charity-Gala Cinema for Peace hat nur indirekt mit der Berlinale zu tun. Sie findet immer während des Festivals statt und nutzt die Tatsache, dass während dieser Tage immer Stars in der Stadt sind. Diesmal war es wirklich eine runde Sache. Das Folgende ist keine Satire.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei hatte die Fassade des Konzerthauses mit Schwimmwesten von Flüchtlingen behängt sowie mit einem Schlauchboot, dazu war groß der Text „Safe Passage“ zu lesen. Während des Dinners wurden die aufgebrezelten Damen und Herren, darunter Charlize Theron, Wolfgang Joop und Sarah Wiener, gebeten, sich mit golden glänzenden Kälteschutzplanen zu bedecken, um ihre Solidarität zu zeigen. Viele machten Flüchtlings-Selfies. Dazu spielte eine Flüchtlingsband aus Damaskus, vermutlich den Song „Between The Devil And The Deep Blue Sea“.

Wie die Band hieß, weiß ich nicht. The Swinging Slaughterhouse Survivors? Unter anderem sollen Involtini von der Poularde gereicht worden sein, auf der Leinwand waren Bilder von Hitler und dem Massaker von Srebrenica zu sehen. Das Essen von Fleisch unter den Augen des Vegetariers Hitler ist ja irgendwie auch ein Akt des Widerstands. Es gab auch etwas zu gewinnen, zum Beispiel einen Song, den die Siegerperson mit der Band Pussy Riot aufnehmen darf.

Das Wort "scheinheilig"

Aus Protest gegen das Schmelzen der Polkappen will ich in Zukunft meinen Whisky nur noch mit Eis trinken. Und aus Solidarität mit den Naziopfern kommt mir keine Bierflasche mehr ins Haus, auf der „Pils“ steht. Ich trinke „Lager“, dazu höre ich „Die Moorsoldaten“ in der Unplugged-Version von Pussy Riot. Wie soll man so was wie diese Gala eigentlich nennen, wenn das Wort „Gutmenschen“ nicht mehr zur Verfügung steht? Zur Erinnerung: Gutmenschen sind nicht Menschen, die still Gutes tun, sondern Menschen, die auf laute Weise so tun, als täten sie Gutes. Ah, zum Glück gibt es ja noch „scheinheilig“, oder ist das auch schon ein Unwort?

Fazit der Berlinale: viele gute französische Filme. Und Gérard Depardieu kann es noch, auch mit russischem Pass, auch nach 18 Motorradunfällen, dem Kauf von 14 Weingütern, gefühlten 99 Skandalen und einer Lebertransplantation. Monsieur, pinkeln Sie, wo und wann Sie wollen, aber machen Sie weiter Filme.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false