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Kultur: Hasen rennen

Die Galerien Fricke, Michael Schulz und Nordenhake beleuchten das Thema Malerei

Fische zu „Helden“, Hasen in „Hysterie“: Die Angler scheinen geflohen, die Jäger den Wald verlassen zu haben. Kein Mensch ist zu sehen. „Der Mensch im Bild ist für mich der Betrachter“, sagt Sid Gastl. „Ihn möchte ich über ungewöhnliche Perspektiven ins Bild holen.“

Bizarr sind Gastls Perspektiven, seine undefinierbaren Orte und unbewohnten Häuser allemal. Den Dingen und Kreaturen des 1955 in Nürnberg geborenen Malers ist etwas unterschwellig Menschliches eigen, auch ohne anthropomorphe Züge. Fabelwesen voller Melancholie und Abgründigkeit. Der ruhige Schein trügt. Im dunkel timbrierten Kolorit der „Halbwelt“, so der Titel der Ausstellung in der Galerie Fricke (Invalidenstraße 114, bis 12.3., Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 12–17 Uhr), erscheint das Sichtbare durch simultane Traum- und Farbschichtungen. Aus ihnen entfaltet Gastls Malerei eine suggestive Wirkung, in der das Ungewisse lauert. Ob als Gefahr oder als Schalk, darf die Fantasie des Betrachters entscheiden.

„Hysterie“ führt mit extremer Untersicht in ein skurriles Unterholz. Oder ist es ein Gewässer – das tiefe Grün von Algen erstickt? Vielleicht sehen wir aber auch eine Versuchsanordnung im Aquarium. Ganz allmählich bemerkt man eine kleine Hasenschar: vergnügt zuckend, über den Lichtflecken im düsteren Veitstanz vereint. So, wie Ober- und Unterwelt nicht eindeutig auszumachen sind, bleiben auch Gastls Interieurs in einer spannenden Schwebe. Räume, deren Innen- und Außenperspektive immer wieder kippt und deren altmeisterliches Leuchten in eine erhellende Gegenwärtigkeit zielt. (Preise: 1800–9000 Euro)

Auf der anderen Seite der Farbklänge siedelt Nino Malfatti seine Bergpanoramen an. „Weiß fast alles“ heißt eines der Bilder in der Galerie Michael Schultz (Mommsenstraße 34; bis 12.3., Di–Fr 10–19 Uhr, Sa 10–14 Uhr). Der Titel ist Programm. Elf Schneelandschaften aus der Perspektive des Gipfelbezwingers, fernab der Skigebiete und Eventpisten. Menschenleere und faszinierend schroffe Schönheit. Die Formate – die größte Leinwand misst fast achteinhalb Quadratmeter – sind der überwältigenden Natur angemessen und zugleich Reminiszenz: „Ich und die Berge sind riesige Freunde“ nennt der 1940 geborene Tiroler seine Ausstellung (Preise: 2500–45 000 Euro).

Blendendes Weiß bestimmt zwei Drittel der „Traumlage – Föhn“. Geradezu schneeblind tastet das Auge über ein ausgedehntes Plateau, um sukzessive zu realisieren, dass unter der abstrahierenden Flächigkeit zarte Rosatöne vibrieren. Darüber ein Gebirgszug, im Spiel von Licht und Schatten, von Gesteinssegmenten und Falten – so akribisch gemalt, dass Alpenkenner die Bergkette mühelos identifizieren dürften. Im Austarieren von Gegenständlichkeit und Abstraktion bewahrt Malfatti durchaus das Geheimnis dieser einsamen Welt. Nur der celansche „Himmel als Abgrund“ scheint seinen Höhenzügen fern.

Oliver Dorfer, dem Schultz Contemporary nebenan eine Einzelschau widmet, kommt gegen die Vollblutmalerei seines Landsmannes nur schwer an. So kryptisch der Ausstellungstitel „hole in one | the pulpproject“, so epigonal hangelt sich Dorfer, Jahrgang 1963, durch Kunst- und Kulturgeschichte, durch Comic-, Film- und Fotozitate; dekorativ hinter Acrylglas gemalt. Doch gerade am so prononciert gewählten Oberflächenmaterial scheitert der Linzer Autodidakt. Man fühlt sich an expressionistische Holzschnitte erinnert, an den Japonismus der Nabis oder die frühen Tondi von Neo Rauch. Mit Pop-Appeal und plakativer Farbreduktion sampelt Oliver Dorfer allerlei Versatzstücke zum wüsten Multikulti-Crossover. Nur prallt die künstlerische Idee an der schicken Oberflächlichkeit seiner Riesentafeln (Preise: 4500–17 000 Euro) ab.

Acrylglas als Bildträger benutzt auch Håkan Rehnberg. Allerdings die gesandstrahlte Variante – was dem Material eine samtene Mattigkeit verleiht. Der Tücke einer effektvollen Oberfläche rückt der 1953 geborene Schwede zudem mit kleinen Palettenmessern zu Leibe. „So tief, bis ich an der durchscheinenden Leere der untersten Schicht kratze“, so Rehnberg.

Den ersten Eindruck abstrakt-expressiver Bilder konterkariert seine Ausstellung „Für den Specht“ in der Galerie Nordenhake (Lindenstraße 34, bis 12.3., Di–Sa 11–18 Uhr) nicht zuletzt durch minimalistisch skulpturale Objekte. Rehnberg will den Akt der Geste bloßlegen. Keine Bilder malen. Brachial und eruptiv wirkt sein Aufbrechen von Farbstrukturen. Wie abstrakte Schlachtengemälde, deren Zufälligkeit von konzeptueller Strenge untermauert ist. In einem Begleittext assoziiert Rehnberg seine Arbeitsweise mit dem (grausamen) Häuten eines Aals und dem Marsyas-Mythos. Tatsächlich liegen derlei Gedankenketten nicht fern. Denn die Ölfarbe mutet bisweilen wie Fetzen an, die vom Acrylglas abgesprengt sind und unter deren morbider Oberfläche sich eine konkrete Urbanität erschließt.

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