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Kultur: Haushaltsdefizit: Nach deutschen Kriterien

Spät in der Nacht drohte der Eklat: Vier Finanzminister der EU waren in der Nacht zum Dienstag bei der Sitzung der Euro-Gruppe fest entschlossen, Geist und Buchstaben des Euro-Stabilitätspakts Genüge zu tun und Deutschland wie Portugal mit einem blauen Brief wegen zu hoher Staatsschulden formell abzumahnen. Für Österreich, Finnland, Belgien und die Niederlande bestand kein Zweifel daran, dass zum ersten mal in der Geschichte der Währungsunion eine so genannte "Frühwarnung" fällig war: An Deutschland und an Portugal.

Spät in der Nacht drohte der Eklat: Vier Finanzminister der EU waren in der Nacht zum Dienstag bei der Sitzung der Euro-Gruppe fest entschlossen, Geist und Buchstaben des Euro-Stabilitätspakts Genüge zu tun und Deutschland wie Portugal mit einem blauen Brief wegen zu hoher Staatsschulden formell abzumahnen. Für Österreich, Finnland, Belgien und die Niederlande bestand kein Zweifel daran, dass zum ersten mal in der Geschichte der Währungsunion eine so genannte "Frühwarnung" fällig war: An Deutschland und an Portugal.

Auch die EU-Kommission hielt noch am Abend unverändert an ihrem Vorschlag fest, nicht nur die stabiltätspolitischen Verfehlungen der beiden Euro-Staaten öffentlich zu benennen - was längst geschehen war -, sondern auch schwarz auf weiß in blauen Briefen an die Adresse der beiden Regierungen in Frühwarnungen zu beurkunden. Dennoch konnte Bundesfinanzminister Eichel am frühen Dienstagmorgen kurz nach ein Uhr das Gebäude des Brüsseler EU-Ministerrats beruhigt verlassen.

Ohne Mehrheit

Was war geschehen? Die Vorgaben des einst von den Deutschen durchgesetzten Euro-Stabilitätspakts, die Überzeugungen der Beteiligten und die deutschen Staatsschulden waren am Dienstagmorgen die gleichen wie am Montagabend. EU-Finanzkommissar Solbes und die Finanzminister der vier kleinen Staaten hatten aber einsehen müssen, dass sie im Kreis der 15 die notwendige qualifizierte Mehrheit des EU-Ministerrats nicht zusammenbringen würden. Grafik: Der blaue Brief Eine Zustimmung der EU-Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit ist aber notwendig, damit die EU-Kommission, die über die Einhaltung der Verträge wachen soll, ihre "Frühwarnung" auch tatsächlich abschicken kann. Die intensive Lobby-Arbeit der Deutschen bei den Partnern, die vielen Gespräche, die Bundesfinanzminister Eichel mit seinen Kollegen geführt hatte, zeigten Wirkung: Bei einer formellen Abstimmung, das wurde in der Nacht zum Dienstag klar, würde die EU-Kommission gegen den Klub der Großen, die sich hinter Deutschland stellten, unterliegen.

Der Gründe für die plötzliche Sympathie mit den regelwidrigen Deutschen waren ganz unterschiedlicher Natur: Die Briten - und mit ihnen die Dänen und Schweden, die auch nicht in der Euro-Währungsunion sind - wollten auf jeden Fall eine Stärkung der Macht der EU-Kommission verhindern. Über die Motive der Franzosen kann man nur spekulieren. Traditionelle deutsch-französische Bündnistreue, die den Schulterschluss auch hier zur Freundespflicht macht? Oder doch nur ein Kuhhandel, der die deutsche Zustimmung für einen französischen Nachfolger für Wim Duisenberg auf dem EZB-Sessel sichert? Bei der Unterstützung anderer Euro-Staaten wie Italien oder Griechenland mag der Gedanke mitgespielt haben, dass man ja schließlich in Zukunft auch in die gleiche peinliche Haushaltssituation geraten könnte wie die Deutschen. Da sich somit schon bei den Euro-Finanzministern in der Nacht zum Dienstag abzeichnete, dass eine qualifizierte Mehrheit für die entschlossene Anwendung der "Frühwarnung" nicht zustande kommen würde, war am Ende niemand mehr daran interessiert, im EU-Finanzministerrat am Dienstag überhaupt über den blauen Brief abzustimmen - auch die EU-Kommision nicht.

Berliner Selbstverpflichtung

Wo man nicht siegen kann, so mögen sich EU-Kommissar Solbes und die Finanzminister der kleinen Mitgliedstaaten gesagt haben, muss man schweigen.

Immerhin wurde die Zustimmung durch eine Art Selbstverpflichtung der Deutschen erleichtert, die in Form einer Ratserklärung die formelle Frühwarnung ersetzte: Deutschland werde alles tun, versprach Eichel, um unter der Drei-Prozent-Grenze für die öffentliche Neuverschuldung zu bleiben - eine Selbstverständlichkeit. Weniger selbstverständlich ist die Verpflichtung der Bundesregierung, nicht wie zuletzt vorgesehen erst 2006, sondern schon 2004 einen "nahezu ausgeglichenen" Haushalt von Bund, Ländern und Gemeinden vorzulegen.

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