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Überfülltes Straßencafé in Finnlands Hauptstadt Helsinki

© Imago

Helsinkis Kneipenszene: Schlabberbier zum Frühstück

In den Läden, die den Gebrüdern Kaurismäki gehören, hängen überall Matti-Pellonpää-Porträts - die Kaurismäki-Typen aber sitzen anderswo. Ein kleiner Helsinki-Kneipenrundgang - auch mit Blick auf Berlin.

Neulich war an dieser Stelle die Rede davon, wie sich in unseren turboglobalisierten und turbovirtuellen Zeiten zwar vieles ständig ändert, manches aber auch einfach bleibt, etwa Kneipen wie das Nova in Kreuzberg oder die Luxus Bar in Prenzlauer Berg. Ähnliches lässt sich in Helsinki beobachten: hier die Bars der digitalen Boheme, gläsern, klar, formstreng, hochmodern. Dort Retro-Kaputtnikläden, mal schicker, mal nachlässig vollgerümpelt. Was sich in Bezug auf Finnland ja ebenfalls hartnäckig hält: das Klischee, die Bürger dieses Landes seien allesamt passionierte oder genuine Schweiger. Oder alles Typen, wie sie in Aki-Kaurismäki-Filmen vorkommen. Genau, kein Text über Finnland ohne Kaurismäki – auch wenn die zeitlichen Abstände, in denen großartige Kaurismäki-Filme erscheinen, viel größer geworden sind als in den neunziger Jahren. Ja, der säuft zu viel, der Mann, ein Finne halt, um noch ein Klischee zu bemühen.

Und er ist selbst Kneipier. Zumindest gehören ihm und seinem Bruder Mika zwei Läden in Helsinkis Zentrum: das Café Moskau sowie die Corona Bar, in deren Keller sich noch ein Kino und die Dubrovnik Lounge befinden. In beiden hängen große Porträts des Kaurismäki-Schauspielers Matti Pellonpää, und während die düstere Corona Bar noch mehr als zum stumpfen Trinken etwas für die Freunde des gepflegten Billard-Spiels ist, so viele Tische stehen im hinteren, etwas helleren Teil, hat das Moskau mehr einen Neunziger-Hamburg-Retro-Chic. Zudem gibt es hier neben Bier und Wein nur Wodka – wer nach Gin Tonic oder Whisky Sour fragt, wird mit Verachtung und verschlepptem Service bestraft.

Nun könnte man denken, in den Kaurismäki-Kneipen würden bevorzugt Kaurismäki-Typen sitzen. Dem ist aber nicht so, schon gar nicht im Moskau, das ein modebewusstes After-Work-Publikum anzieht. Kaurismäki-Gestalten sieht man eher zwei Blocks weiter, in einem Laden namens E & K , wo sich morgens die ersten Biertrinker einfinden, weil die Happy Hour von 9 bis 20 Uhr geht und der halbe Liter Schlabberbier nur 3 Euro 80 kostet statt wie sonst überall 6 Euro. Hier wird wirklich viel geschwiegen – aber wenn „Easy Living“ von Uriah Heep erklingt oder ein Stück der Hardrockcombo Whitesnake, kann es passieren, dass einer der Trinker oder Trinkerinnen sich erhebt, mitsingt und durch den Laden tänzelt.

Das ist nichts anderes als die Berliner Eckkneipe revisited. Und doch stehen hier nicht nur Spielautomaten rum, sondern hängt auch ein altes Texaco-Schild an der Wand und ein chromblitzendes Motorrad von der Decke. Das Land der Verlorenen sieht in Helsinki nie ganz schlecht und kaputt aus, das Ewig-Gestrige und Immergleiche darf stylish sein. Da muss Berlin erst noch hinkommen.

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