zum Hauptinhalt

Kultur: Her mit den alten Engländerinnen!

Franco Zeffirelli erinnert sich in seinem Film an seine JugendKerstin Decker Sie gingen immer ins Doneys-Café. Sonnenschirme aus Stroh, spitzenbesetzte Taschentücher.

Franco Zeffirelli erinnert sich in seinem Film an seine JugendKerstin Decker

Sie gingen immer ins Doneys-Café. Sonnenschirme aus Stroh, spitzenbesetzte Taschentücher. Zeffirelli, der Regisseur, nennt sie alterslos.Er sah sie, als er noch ein Junge war. Botinnen eines vergangenen Jahrhunderts! Engländerinnen in Florenz. Und dann kam auch noch Mussolini.

Allerdings, sagt Zeffirelli, müsse man wissen, dass damals, als er jung war und die Engländerinnen schon ein bisschen älter und Mussolini ungefähr in der Mitte - dass also damals Florenz aussah wie gerade aus dem Mittelalter gefallen. Und aus der Renaissance natürlich. Jedenfalls ist es viel weiter vom Florenz Mussolinis zu uns als vom 15. Jahrhundert zum Florenz Mussolinis. Vielleicht deshalb ist Zeffirelli nicht eigentlich böse auf den Duce. Italien war schöner damals. Fast keine Autos. Fast keine Touristen. Nur Engländerinnen jenseits jeden meßbaren Alters, er selbst und Mussolini natürlich. Vielleicht darum macht Zeffirelli immer so große schöne heile Bilder. Auch wenn sie kaputt sind.

Hier ist das auch so.

"Tee mit Mussolini" handelt von Zeffirellis eigener Kindheit und Jugend. Das Problem bei den schönen heilen Bildern ist, dass sie einem leicht ein ganz klein bißchen egal sind. Wenn ihnen nicht gerade diese Art elegische Beseelung gelingt, wie James Ivory manchmal. Spielte "Zimmer mit Aussicht" nicht auch in Florenz?

Aber die Idee mit den alten Engländerinnen ist wirklich gut. Und völlig authentisch. Zeffirellis Co-Autor hat die Geschichte der britischen Damengemeinde zu Florenz genau erforscht. Die Florentiner nannten sie die "Skorpione". Skorpione sind auch alterslos. Und verfügen über dieselben kommunikativen Eigenschaften. Diese beinahe teilnahmslosen Stiche. Diese Unbewegtheit!

Caféhäuser sind Weiterentwicklungen der Schlachtfelder. Auch das Doneys zu Florenz. Nur die Schlachtordnungen sind viel sublimer. Und Frontverläufe meist unsichtbar, wechseln aber schneller. Zeffirellis Film ist der Versuch, sie trotzdem festzustellen. Natürlich schwankt er nicht mit der Handkamera im Doneys rum, es handelt sich schließlich nicht um eine dänische Geburtstagsfeier (wie in Vinterbergs "Das Fest"), sondern um den Nachmittagstee alter Engländerinnen. Zeffirellis Kamerablick hat auch etwas Skorpionartiges. Ziemlich unbeweglich. Doch er sticht fast nie.

Feldherrn erkennt man immer am schnellsten. Hier ist es Lady Hester Random (Maggie Smith), Witwe des ehemaligen britischen Botschafters in Italien, was zu betonen sie nie müde wird. Außerdem ist Lady Hester Random fest überzeugt, ein besonderes Verhältnis zum landeseigenen Diktator zu unterhalten, vermittelt über ihren verstorbenen Mann. Maggie Smith ist genau die richtige Frau für diese historisch verbürgte Rolle. Ebenso wie Judi Dench, Cher, Lily Tomlin und Joan Plowright für all die anderen. Da ist etwa die stets leicht entrückte vormalige Amateursängerin und Freskofanatikerin Delancy (Judi Dench, die sonst eher englische Königinnen spielt, woran man erkennt, dass der Unterschied zwischen Amateursängerinnen und Monarchen nur ein gradueller ist), diverse Katzenfreundinnen, Gelegenheitsarchäologinnen, auch mit lesbischen Neigungen, Cher (sehr schrill) als eine Art Peggy Guggenheim in Florenz und Hauptfeindin der Feldherrin sowie natürlich Mary Wallace (Joan Plowright). Mary Wallace ist am authentischsten. Zeffirellis Ersatzmutter. Bei einer Frau wie ihr lernte er - im Film vertreten durch den Jungen Luca Innocenti (Baird Wallace) - schon als Kind Englisch.

Franco Zeffirelli ist nämlich genau wie Luca im Film ein sehr uneheliches Kind. Darum heißt er auch Zeffirelli. Uneheliche Kinder in Italien bekamen damals einfach einen Namen aus dem Alphabet zugeteilt. Als Zeffirelli geboren wurde, war gerade das "Z" dran. Nehmen wir "Zeffiretti"!, beschloß Zeffirellis wirkliche, allerdings schon anderweitig verheiratete Mutter, die besonders die Zeffiretti-Arie aus Mozarts "Cosí fan tutte" mochte. Der Standesbeamte nicht. Jedenfalls vergaß er die T-Striche bei Zeffiretti, weshalb Zeffirelli heute Zeffirelli heißt und davon überzeugt ist, der einzige auf der ganzen Welt mit diesem Namen zu sein. Zeffirellis Mutter starb bald, genau wie im Film. Und so beginnt Marys Ersatzmutter-Geschichte. Und Zeffirellis eigene Geschichte mit den englischen Damen und Mussolini.

Wie bei vielen kriegerischen Stämmen war auch bei den Britinnen ohne Alter das Verständnis für fremde Arten der Kriegführung stark beeinträchtigt. 1939 war ein sehr anti-englisches Jahr in Florenz, was die Betroffenen gar nicht bemerkten. Großbritannien sowie die "pluto-jüdischen Demokratien" des Westens seien die eigentlichen Feinde Italiens, lautete das Motto des Tages. Der Mob versammelte sich und trug bunte Flaggen und Abzeichen durch die Straßen. Die Britinnen aber kamen aus Doneys Café, beklatschen die Flaggen und Abzeichen und schwenkten ihre Spitzentaschentücher.

Bei solchen Szenen bemerkt man schmerzhaft, dass Zeffirelli als Filmemacher keinen Sinn fürs Groteske hat. Manche zeigen das, was ist und zugleich, was dahinter ist. Zeffirelli nie. Er zeigt die Oberfläche.

Auch die Oberfläche jener titelgebenden Szene, als die Feldherrin des Cafes Doneys und Witwe des vormaligen britischen Botschafters um eine Audienz beim örtlichen Diktator nachsucht, um sich zu erkundigen, warum junge Männer die Scheiben ihres Versammlungsortes einwarfen. - Mussolini gewährt ihr die Teestunde, aber nur, weil eine britische Journalistin dabei ist, was die Feldherrin nicht weiß. Die Teestunde wird zur Propagandastunde. Lady Hester Random ist zufrieden. Zeffirelli wohl auch. Mussolinis größter Fehler sei es gewesen, sich mit Hitler einzulassen, findet Zeffirelli. Lady Hester hätte das genauso gesehen. Ansätze dazu zeigt sie bereits, als man sie und die anderen aus dem Doneys nach San Gimignano deportiert. Das war wirklich so. Und der hier nicht zu verratende Schluß stimmt auch. Wenigstens fast. - Wer ließe sich eigentlich nicht nach San Gimignano deportieren, wenn man dann wie die Engländerinnen die ganze Stadt für sich hätte?

So ungefähr begreift Zeffirelli sicher den Unterschied zwischen Mussolini und Hitler. Er selbst sei damals nicht so gern zu den "Giovani Fascisti" (der italienischen "Hitlerjugend") gegangen, sondern viel lieber zu den Katholiken. Dort durften sie in den alten Klöstern immer Fußball und Tischtennis spielen. Bei den "Giovani Fascisti" nicht. Italien ist anders.In Berlin in den Kinos Astor, Adria, Cinemaxx Colosseum und Potsdamer Platz (hier auch OV), Cinestar Tegel, Eva, International, Passage, le Prom, Europa-Studio.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false