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Sanfter Triumpf. Der Dirigent Herbert Blomstedt in der Philharmonie.

© Frederike van der Straeten

Herbert Blomstedt dirigiert die Philharmoniker: Die Musik hört niemals auf

Mozart, Bruckner und eine Vision: die Berliner Philharmoniker unter Leitung von Herbert Blomstedt.

Man könnte das Phänomen Herbert Blomstedt natürlich auf das schiere Alter reduzieren. Kein aktiver Spitzendirigent vereint mehr Lebensjahre auf sich als der 92-jährige Maestro mit dem hellwachen Blick. Doch das führt schnell auf die falsche Fährte. Wenn Blomstedt mit Bruckners Vierter vor die Berliner Philharmoniker tritt, tut er das nicht als strenger Lordsiegelbewahrer wie etwa der späte Günter Wand. Er sieht sich nicht als letztes Glied einer Kette, ihm gelingt es, immer wieder Anfang zu sein. Mit seinem freundlichen Gottvertrauen braucht er keinen Anlauf, um sich in die Höhen der Partitur zu schwingen. Blomstedt fürchtet auch keine Abstürze, anders als Simon Rattle, der sich an der Vierten über Jahre hinweg die Zähne ausgebissen hat.

Vom leisesten Wispern bis zum brausenden Blechchoral reißt der auswendig ohne Taktstock dirigierende Maestro einen kaum zu überblickenden Klangraum auf. Überall herrschen Weite und Licht, nie aber Hast und Bedrängnis. Blomstedt befreit Bruckner vom letzten Erdenrest und weigert sich, harmonische Reibungen oder Generalpausen als Zeichen individueller Dramen zu deuten. Er lässt das Orchester stillstehen und vermittelt dabei den Eindruck, dass die Musik immer weiterspielt, einfach da ist ohne all die physischen Mühen, die Bruckner-Aufführungen stets für Musikerinnen und Musiker bedeuten.

Die Philharmoniker lassen sich auf dieses Kontrastprogramm zu ihrem detailbesessenen Chefdirigenten mit gelegentlich ungläubigem Staunen ein und zaubern Details aus der Vierten hervor, die in der Sorge, auch ja genug Schub zu erzeugen, sonst gerne untergehen. Blomstedt drückt nicht, er duckt Bruckners Musik auch nicht ins Sentimentale, was angesichts dieser umfassenden Schönheit eine bewundernswerte Leistung darstellt.

Vorarbeit dafür leistet der bestens mit dem Dirigenten harmonierende Leif Ove Andsnes bei Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur. Was zuerst etwas distanziert klingt, entfaltet ab dem zweiten Satz seine unaufdringliche Magie. Wie der Pianist hier die Wendung ins Melancholische fein auffängt und auflöst in einer Bejahung der Natur, ist ein Kunststück ohne jeden Trick. Wie sehr Andsnes sich in das Abendprogramm vertieft hat, beweist auch seine Zugabe aus Griegs Lyrischen Stücken. Hier werden unerschrocken Klänge geschichtet und geweitet wie bei Bruckners Vierter.

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