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Kultur: Himmelwärts

Licht, Luft und Liebe: Die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf erneuert und erweitert sich

Rein äußerlich hat sich wenig geändert. Nach wie vor steht die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen mit ihrer geschwungenen schwarzen Granitfassade ungerührt am Grabbeplatz, ein Bollwerk der Hochkultur gegen die vielen bunten Lichter, Kneipenschilder, das schnelle Amüsement der Düsseldorfer Altstadt. Wozu blieb dann zwei Jahre lang das K 20 geschlossen, wie die Kunstsammlung heißt in Abgrenzung zum K 21 im ehemaligen Ständehaus, wo die Kunst des 21. Jahrhunderts residiert? Wo stecken die 40 Millionen Euro für dieses ehrgeizigste Museumsprojekt der Landesregierung?

Die Neuerungen beginnen erst mit dem Eintritt ins Haus. Der seit Jahrzehnten geforderte Anbau verbirgt sich im hinteren Winkel und sollte von vorneherein kein großer architektonischer Wurf sein, sondern eine praktische Erweiterung der Ausstellungsfläche um 2000 Quadratmeter auf insgesamt 5000 Quadratmeter. Düsseldorf braucht keine architektonischen Mätzchen, es hat bereits seine Meisterwerke der Kunst. Die legendäre, von Museumsgründer Werner Schmalenbach seit 1960 zusammengetragene Sammlung sollte vor allem ihren Hort zurückerhalten. Alles anders und doch nicht neu.

Dem Kopenhagener Architekturbüro Dissing und Weitling, das schon 1986 den Neubau plante, war auch die Erweiterung anvertraut. Dadurch konnte der damals in Konkurrenz zur postmodernen Stuttgarter Staatsgalerie von James Stirling bewusst nüchtern gehaltene Bau endgültig bei sich selbst ankommen. Die bislang eher unglückliche Eingangszone, die unter der monumentalen Fassade wie wegdrückt erscheint, wirkt nun klug inszeniert. Der Besucher avanciert zum Akteur einer architektonischen Aufführung. Vom gleißenden Licht des Grabbeplatzes gelangt er ins dramatische Dunkel der Passage, um dann im bislang schummrigen Foyer von göttlichem Schein umfangen zu werden. Ein freigelegter Lichtschacht wirft Sonne von oben herab (zumindest in diesen Tagen) und verspricht dem Eintretenden höhere Erkenntnisse.

Geradezu metaphysisch manifestiert sich dieses Konzept im ersten Saal: Die unter Schmalenbach-Nachfolger Armin Zweite zugebauten Blumenfenster geben nun den Blick auf ein künstliches Naturschauspiel von Olafur Eliasson frei: Mal links, mal rechts steigen draußen Nebeldämpfe vor Monofrequenz-Lampen auf, die Sonnenlicht suggerieren. Innen hängt an der rechten Wand ein strahlend gelber Paul Klee, an der linken gänzt golden ein monochromes Bild von Yves Klein: eine Dreieinheit aus klassischer Moderne, Nachkriegskunst und Gegenwart, die Formel der Kunstsammlung NRW.

Darin besteht die stärkste Veränderung für das K 20: Die 2009 neu angetretene Direktorin Marion Ackermann konnte nachträglich die Sanierung der geschwungenen Lichtdecken durchsetzen und präsentiert nun das innen immer etwas gelblich schimmernde Haus in strahlendem Weiß, „The Best of“ ohne Grauschleier. Die Neuinszenierung der Starbilder von Schlemmer bis Beckmann, von Picasso bis Pollock zeugt von ihrer Bewunderung für Schmalenbachs Leistung, seinen unbestechlichen Geschmack. An den Eröffnungstagen war viel die Rede von dem großen Museumsmann, der nur kurz zuvor im Alter von 89 Jahren verstorben war. Damals noch fürstlich ausgestattet, bescherte er Nordrhein-Westfalen eine eigene Nationalgalerie, die das ganze Repertoire der Kunstgeschichte abspulen kann. Obwohl der Besucher mäandrierend, in kleinen Kabinetten (die Ausstellungsarchitektur besorgte das Berliner Büro Kuehn Malvezzi) die Kapitel durchläuft, wird der didaktische Zeigefinger nie spürbar.

Die glücklichen Nachbarschaften ergeben sich wie von selbst: Das strenge Pathos dreier großartiger Mondrian-Bilder an einer Wand setzt sich zur einen Seite in einer gewitzten Collage von Kurt Schwitters fort, zur anderen dynamisiert sich die Linie in einer Komposition von Kandinsky. Doch dieser Reigen läuft nicht mehr rund mit dem Sprung in die Nachkriegszeit. Der erste Blick fällt auf ein Materialbild der Amerikanerin Lee Bontecou, die von Dubuffet und Arnulf Rainer assistiert wird. Plötzlich wirken die Räume eng und verkeilt.

Der große Auftritt kehrt erst wieder zurück mit dem Amerikaner-Saal, dessen zentrale Schauwand dem monumentalen Drip-Painting von Jackson Pollock gewidmet ist. Beuys, Gerhard Richter, die Maler der Achtziger fehlen ganz. Ihnen wären die gewonnenen Ausstellungsflächen zugedacht gewesen, doch stimmte das Raumklima noch nicht. Dafür sprangen die beiden jungen Bildhauer Michael Sailstorfer und Kris Martin ein – mit Luftnummern. Der Belgier Martin legte in den oberen Saal einen Heißluftballon quer und ließ ihn seitlich von Ventilatoren aufblasen; der in Berlin lebende Sailstorfer hängte unter die Decke des Erdgeschosssaals aufgeblasene, verknotete Lkw-Schläuche als finstere Wolken.

Sie retteten Marion Ackermann aus einer Verlegenheit und überbrücken damit die Zeit bis zur großen Beuys-Ausstellung im Herbst. Und doch hatte man sich mehr versprochen von den Interventionen zeitgenössischer Künstler, mit denen sie so beherzt während des Interregnums der klassischen Moderne im K 21 begonnen hatte. Die einst angepeilte stärkere Verknüpfung beider Häuser, die Zusammenführung von klassischer Moderne und Gegenwart, wie sie gegenwärtig in Berlin in der Neuen Nationalgalerie und in Madrid in der Reina Sofia ausprobiert wird, erscheint in Düsseldorf als Lückenbüßer-Programm.

Der Verdacht schleicht sich auch ein bei der kindlich verspielten Restauranteinrichtung von Joep van Lieshout und der kunterbunten Wandgestaltung von Sarah Morris am Paul-Klee-Platz, der sich durch den Anbau hinter der Kunstsammlung neu gebildet hat. Die amerikanische Malerin entwarf ein Kaleidoskop aus Kacheln für die unschöne Rückwand der angrenzenden Apothekerbank, nicht sonderlich originelle angewandte Kunst trotz des prominenten Namens.

So bleibt den Gegenwartskünstlern vor allem das K 21 als Terrain. Zeitgleich mit der Eröffnung des Stammhauses präsentiert sich dort eine Mischung aus Leihgaben und Installationen aus dem eigenen Bestand unter dem Titel „Intensif-Station“, der von einer Arbeit Thomas Hirschhorns stammt. Das ehemalige Ständehaus bleibt problematisch als Museum. Durch die kleinteilige Abfolge von Räumen über drei Geschosse wird der rote Faden immer wieder auseinandergerissen. Bei der wenig zwingenden Zusammenstellung von Malerei etwa Valerie Favres, Skulpturen von Juan Munoz oder einer Soundinstallation von Janet Cardiff scheint er ohnehin kaum vorhanden. Es fehlt der Flow der Klassischen Moderne. Aber das kann noch werden.

Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz. Sonderausstellung im Ständehaus bis 4.9.

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