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Kultur: Himmlisch zart

KLASSIK (2)

Ein ernster, ein bewegender Abend. Das Renaissance-Genie Michelangelo liefert die programmatische Klammer: Seine tiefsinnigen, Endzeitstimmung verbreitenden Dichtungen sind zunächst in drei Gesängen von Hugo Wolf präsent, deren Klavierstimme Wolfgang Fortner ein dunkelfarbig üppiges Orchestergewand verpasste. Mit schlankem, sehnigem Bariton nähert sich Morten Ernst Lassen ihnen behutsam, widmet sich differenzierter Textausdeutung, die die hohe Schule des Mentors Fischer Dieskau verrät. Mit seinem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gelingt Michail Jurowski fast immer die schwierige Balance zwischen Begleitung und eigenständiger Strukturierung, entfaltet ein reiches Ausdrucksspektrum vom Glücksrausch bis zur Depression des „Alles endet, was entstehet“.

Ein Motto, das auch über den Werken Benjamin Brittens und Dmitri Schostakowitschs stehen könnte. Neben stilistischer Nähe verbindet das Anliegen der Menschlichkeit mitten im Weltkrieg die „Sinfonia da Requiem“ des Engländers und die 15. Sinfonie des Sowjetrussen. Durch beide rast grotesk und grell das Hauptmotiv aus Rossinis „Wilhelm Tell“, stürzt ab in untröstliche Trauermärsche. Doch während der 26-jährige Britten zu gewaltigen Emotionen ausholt, errichtet sein Kollege am Ende des Lebens eine Fassade der Erstarrung. „Wir sind alle Marionetten“, scheinen die verspielten Triangelschläge und rasselnden Trommelschläge zu sagen. Vor allem die fulminanten Blechbläser ernten Jubel in der Philharmonie . Doch zuvor ließ Jurowski hauchzarte Streicherlinien in die Höhe steigen, ein leises Loslassen, wundersames Entschwinden der Seele aus aller Erdenschwere.

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