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Kultur: Hohelieder des Sounds

Zwei Klanglabyrinthe in Prenzlauer Berg.

Wie Yin und Yang verhalten sich die beiden Klanginstallationen in den Wasserspeichern am Belforter Platz, so konträr wirken sie und greifen doch ineinander. Robert Henke hat den großen Speicher in ein Soundlabyrinth verwandelt, in dem sich der Besucher gegen die mächtigen Frequenzen stemmen muss, will er nicht zum Spielball der Schallwellen werden. Gordon Monahan dagegen hat den kleinen Speicher in ein offenes Forum gleichberechtigter Klänge verwandelt. Ein gelungenes Zusammenspiel der SinguhrHörgalerie – und ein Argument für ihren Verbleib in den Speichern über 2013 hinaus. Hier ist der Ort für die Klangkunst als eigenständige Gattung, Symbiosen mit anderen Genres zum Trotz.

So reizt Henke, Professor für Sounddesign in Berlin und ehemals Mitstreiter des Minimal-Techno-Duos Monolake, Mittel der Clubkultur wie Schummerlicht und Tiefstfrequenzen aus. Mit „Ewige Dunkelheit“ erzielt er jedoch eine ganz andere Wirkung als auf der Tanzfläche erwünscht. Der Besucher sucht in der Mitte des Speichers nach den Klangquellen – vergeblich, er sitzt einer akustischen Täuschung auf, ausgelöst von der Nachhallzeit des Speichers und Henkes Software, die seine Komposition ins Unendliche variieren. Das Dröhnen erzeugt ein Subwoofer. Aus sechs Lautsprechern kommen dissonante Töne virtueller Orgelpfeifen, prallen an die kreisrunden Wände, brechen und sammeln sich. Und doch will Henke nicht überwältigen. Den Bau hat er in rotes Licht getaucht, ein Brecht’scher Verfremdungseffekt, der den Manipulationsversuch erkennbar macht.

Daneben wirkt Monahans Installation „Resonant Platinum Records“ verspielt. Zwölf winzige Elektromotoren bringen zwölf Aluminiumscheiben zum Schwingen, die an Klaviersaiten von der Decke hängen. Sechs weitere Motoren rotieren an den Wänden und lassen kleine Schellen klingeln. Heiter klirrt, schwirrt und scheppert es durch den dämmerigen Raum. Jede Scheibe wirkt für sich und summt doch mit den anderen ein Hohelied auf die Demokratie. Als seien sie lebendig, erledigen Rechner und Gegenstände die Arbeit von Dirigent und Chor. Das Wesen der Dinge interessiert Monahan schon lange. Der Kanadier ließ den Wind Klavier spielen und baute mit Kollegen in Berlin Gesamtkunstwerk-Bars aus bunten Konsumgütern. Im Wasserspeicher nun hat er die optischen Reize reduziert, nur die Scheibe über dem mittigen Podest sticht ins Auge, von drei Spots angestrahlt wie ein Kultgegenstand. So viel Ironie wäre nicht nötig gewesen: Ein Tanz um die goldene Schallplatte verbietet sich in „Resonant Platinum Records“ von allein. Claudia Wahjudi

Wasserspeicher, Diedenhofer bzw. Belforter Straße: bis 2. 9.; Mi-So 14-20 Uhr

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