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Humboldt Box: Ein Vorgeschmack auf das Schloss

Die Humboldt-Box im Herzen Berlins ist eröffnet worden. Acht Jahre lang soll sie bei Besuchern Vorfreude auf das Schloss wecken.

Das Bauwerk, lächelte Kulturstaatssekretär André Schmitz ins Publikum, „ist an dieser Stelle nicht zu übersehen“. Leises Gelächter im Saal. „Ich sehe, Sie haben die Anspielung verstanden!“

Verstanden hatte die Festversammlung zur Eröffnung der Humboldt-Box am Mittwochvormittag, dass Schloss-Freund Schmitz mit der Architektur des Berliner Büros Krüger Schuberth Vandreike (KSV) nicht eben konform geht. Dabei hatte Büroprinzipal Bertram Vandreike vorab tapfer erklärt, dass an dieser Stelle „nur ein konsequent zeitgenössisches Gebäude“ den Auftakt für die weitere Diskussion um die Gestaltung der Mitte Berlins geben könne.

Um die weitere Gestaltung geht es bei der Humboldt-Box nun gerade nicht, sondern um Vorbereitung oder auch Vorfreude auf die kommende Schlosshülle samt ihrem Innenleben, dem Humboldt-Forum. Mag die 28 Meter hohe, in massivem Stahlbetonrahmen gefasste Box auch noch so dauerhaft daherkommen und so unübersehbar alle Sichtachsen vom Linden-Boulevard wie vom Alexanderplatz her besetzt halten, sie bleibt letztlich doch ein temporäres Ding. Immerhin acht Jahre lang soll sie stehen bleiben, und das machte für die Erteilung einer Baugenehmigung allerhand Aufwand erforderlich: Brandschutz, Fluchtwege, Nottreppenhaus, Begrenzung der Besucherzahl auf sensorgezählte 700 Menschen gleichzeitig. Was bei der knallroten, auf Stelzen schwebenden Info-Box seligen Angedenkens am Potsdamer Platz luftig-leicht daherkam, fällt beim Nachfolger hart am Rande des Schlossplatzes schwer und beinahe plump aus. Ironie der Geschichte: Vor Jahren hatte sich das Büro KSV den Wiederaufbau des Schlosses nicht vorstellen können und erklärt, „was vorbei ist, ist vorbei“. Nun macht ihre Box ausgerechnet für die bundestagsbeschlossene Lösung Reklame, die den KSVlern vor 15 Jahren unmöglich dünkte: für einen modernen Neubau in historischen Fassaden.

„Wir wollen hier bewusst auch provozieren“, setzt Staatssekretär Rainer Bomba vom Bundesbau- und Verkehrsministerium noch eins drauf. „Wir wollen Anziehungspunkt sein!“ Für sicherlich die Mehrzahl der ab dem heutigen Donnerstag strömenden Besucher wird der Anziehungspunkt des temporären Langzeitbauwerks im Ausguck von den beidseitigen Terrassen liegen: schönere Blicke auf den Schlossplatz mit der künftigen Schlossbaustelle oder, nach der anderen Seite hin, auf den Lustgarten mit Altem Museum und Dom werden nicht mehr zu genießen sein. Auch der Blick auf die archäologischen Ausgrabungen lohnt den Aufstieg. Deren für die Integration in den Keller des Humboldt-Forums vorgesehenen Teile liegen allerdings unter einem Wetterdach verborgen.

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Von der temporären Box auf die temporäre Schlossplatzwiese geht der Blick, um in der anderen Richtung ein weiteres temporäres Bauwerk zu entdecken, neben der Bauakademie-Plastikfolie: Da errichtet ein Autokonzern ein Haus für die Präsentation seines neuesten Produkts.

Ein Bezugssystem, in das die Humboldt-Box passt. Vieles in Berlins Herzensmitte ist Vorspiegelung oder bloße Reklame. Auch die Box, finanziert von der Firma Megaposter, wird Reklame machen und soll so nicht zuletzt ihre Gesamtkosten von „deutlich über 15 Millionen Euro für Bau und Betrieb wieder einspielen“, wie Megaposter-Mitinhaber Henrich betont. Vor allem aber kostet die Box Eintritt, ob für den Einzelbesucher, den Familienkarten- oder Jahrespass-Inhaber.

Auf zwei der fünf Ebenen des Hauses wird dem Besucher das künftige Humboldt-Forum vorgespielt und -gespiegelt. Nach der Überfülle der Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ beschränkt sich die Präsentation der Staatlichen Museen, der Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek als der drei künftigen Schloss-Nutzer auf Appetitanreger. Mehr gibt der Raum nicht her.

Den roten Faden bildet das Thema Globalisierung. Jedermann führt das Wort im Munde, als ob es ein Phänomen der Jetztzeit bezeichnete. Tatsächlich jedoch ist die Globalisierung ein Wegbegleiter der Menschheitsgeschichte, von der Verbreitung des Homo sapiens selbst, aus seiner ostafrikanischen Ursprungheimat über die fünf Kontinente hinweg, bis zur Verbreitung der Natur, dargestellt an der Weltenwanderung der Zitrusfrüchte aus Südchina seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert, bis zu den Weltreisen der Produkte von Menschenhand, erneut mit einem chinesischen Beispiel, dem Handel mit dem begehrten Porzellan. Der Besucher erfährt, dass so manches als chinesisch angesehene Design sei’s für den islamischen, sei’s für den europäischen Markt geschaffen – und dort jeweils adaptiert und kopiert wurde, in Persien übrigens weit früher als in Sachsen. Auf dem Meißner Teekännchen wurde aus dem Phönix ein simpler Hahn, aus der glücksbringenden Perle auf dem Deckel ein neckischer Hase.

Die Humboldt-Uni wiederum spricht mit einem Schubladenschrank unter dem Stichwort „Arbeit global denken“ ein Thema an, das allzu gewichtig und gewaltig für sekundenkurzes Mitdenken sein dürfte – zumal unter Einbeziehung demographischer und politischer Randbedingungen. Für die Vermittlung von Wissenschaft im künftigen Humboldt-Forum bleibt da noch einiges an Denk- und Erprobungsarbeit zu leisten – federführend ist hier das Hermann-von-HelmholtzZentrum für Kulturtechnik.

Zumindest für die Entspannung ist bereits erfolgreich gesorgt, dank der von der Landesbibliothek bereitgestellten Liegelandschaft, die naturgemäß „Humboldt- Lounge“ heißt. Hat Humboldt das eigentlich verdient?

Und welcher Humboldt eigentlich? Alexander, der Welterforscher und „Kosmos“-Autor, kommt zu seinem Recht. Wilhelm hingegen, der Universitätsbegründer, müsste nach seinem ehernen Wort von Einsamkeit und Freiheit als den „vorwaltenden Principien“ wissenschaftlichen Arbeitens angesichts der seinen Namen tragenden Box schier verzweifeln. Die Hoffnung, das jetzige Häppchenangebot werde im ungleich größeren Humboldt-Forum tieferen Einsichten Platz machen, bleibt bis 2019, dem vorläufigen amtlichen Eröffnungsjahr des rekonstruierten Stadtschlosses, ein eher zartes Pflänzchen. Wilhelm Humboldt schwebte als Ideal vor, dass „äußere Muße oder inneres Streben zur Wissenschaft und Forschung hinführt“. Die Humboldt-Box dagegen wird wohl ein unruhiger Ort. Ihre 700 gleichzeitigen Besucher machen beinahe das Dreifache der Studenten aus, die bei der Eröffnung der Berliner Universität 1810 gezählt wurden. Tempora mutantur.

Dafür ist die Humboldt-Box von heute an gewiss eins der Weltwunder Berlins. Unübersehbar.

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