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Wenn nicht vergöttert, dann gequält: Adolph Menzels „Spannhund und Katze“ von 1863/83

© bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Jörg P. Anders

Hunde in der Kunst: Ausstellung im Kupferstichkabinett: Auf Schnauzenhöhe

Wie die Kunst auf den Hund kam: Das Berliner Kupferstichkabinett zeigt vierbeinige Ansichten von Albrecht Dürer bis Otto Dix.

Bist ein Guter. So ein Braver. Und übel mitgespielt haben die Menschen dir. Dich einfach ins Geschirr gespannt. Zum Gebrauchshund für Hand- und Spanndienst gemacht. Kein Wunder, dass du so müde im Rinnstein kauerst. Nicht mal die daneben hockende Katze dreht sich noch um nach dir. Was bist du nur für ein armer, armer Hund!

Genauer gesagt: der Karrenhund als geschundene Kreatur, von Adolph Menzel um 1864 in erdigen Brauntönen aquarelliert. Das in der Sommerausstellung „Wir kommen auf den Hund!“ im Kupferstichkabinett ausgestellte Bild ist eine ganz normale Straßenszene aus dem Berlin des 19. Jahrhunderts, die nur ein paar Meter weiter auf einem lichten Aquarell von Friedrich August Calau gleich noch mal, aber aus der Ferne zu sehen ist. Da läuft Unter den Linden ein Hund vor dem Karren eines Milchmädchens. Er zieht, sie schiebt. Noch so ein Hundeleben.

Einem ebenfalls hier hängenden Hund geht es dagegen blendend. Ein Wauwau auf der Sonnenseite des Lebens. So geht Tierhaltung mondän. Der Kontrast zwischen den Karrenhunden und der eleganten, elfenbeinfarbenen Kreatur, die mit manieriert erhobenem Lauf neben einer eleganten Frau sitzt, könnte nicht größer sein. Edel das Windspiel, nobel die „Dame mit Hund“. Ernst Ludwig Kirchner hat die beiden 1916 in einen schicken, erstmals in einem Modekatalog erschienenen Farbholzschnitt in Schwarz, Grün und Orange gebannt. Dies ist kein Nutztier, sondern ein Accessoire, Prestigeobjekt, Distinktionsmerkmal.

Facettenreich, possierlich, schön und schrecklich ist das Spektrum der 300 Hundedarstellungen aus fünf Jahrhunderten, die das Kupferstichkabinett aus den hauseigenen Beständen ausgegraben hat. Und wie schon im vergangenen Jahr, als das Format der um ein populäres künstlerisches Motiv kreisenden Sommerausstellung mit „Wir gehen baden!“ erfunden wurde, ist auch die Hundeschau ein bisschen humoristisch angelegt. Es gibt sogar, von Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen höchstselbst erlaubt und erheitert verkündet – Hundeführungen! Mit einigen extra tief angebrachten Abbildungen, also gewissermaßen auf Schnauzenhöhe. Wenn das nicht die Berliner Herzen entzündet, die wie kein anderes urbanes Publikum in Deutschland an Dobermännern, Dackeln und Doggen hängen.

Hunde im Museum, im vergnügungssüchtigen, gegen sommerlich verwaiste Räume arbeitenden Kupferstichkabinett. Und bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht: Die in sechs Kapitel wie Künstler und Hunde, Jagd oder Mensch und Hund gegliederte Ausstellung ist seriös und hochkarätig bestückt. Mit Rembrandt, Dürer, Picasso, Giacometti, Tiepolo, Goya, Liebermann, Dix, Blechen, Nolde, Polke, um nur einige Tierfreunde zu nennen. Der begleitende Katalog reichert die künstlerischen Abbildungen der einzigartigen, mindestens 15 000 Jahre alten Liebes- und Domestizierungsgeschichte mit Thementexten und Werkerläuterungen an.

Hunde reizen die Künstler nicht nur wegen anatomischer Details wie Rassenvielfalt, Muskelspiel und Fellstruktur, sondern auch wegen der durch die Nähe zum Menschen begründeten Symbolkraft, durch die sich auch gesellschaftliche und kulturgeschichtliche Entwicklungen reflektieren lassen. „Das Hundeleben ist immer auch das eigene Menschenleben“, fasst Heinrich Schulze Altcappenberg, der Direktor des Kupferstichkabinetts, die Erkenntnis der hauseigenen Forschung im Zuge der Ausstellungskonzeption zusammen. Egal, ob als drolliges Schoßhündchen von Rokoko-Damen, als abgerissener Begleiter der Bettler, treuer Wächter der Kinder oder als Jagdhund erst der höfischen und dann der bürgerlichen Jagd. Sie seien einfach überall dabei, bestimmt auf jedem dritten oder vierten Bild, auch in anderen Sammlungen der Staatlichen Museen, weiß der Direktor. „Und denkt man sie sich weg aus dem Bild, entsteht eine fundamentale Lücke. Sie sind das emotionale Bindeglied zwischen Mensch und Umgebung, sozusagen der Affektträger.“

Durchaus auch mit konterkarierender Funktion, wie eine Rembrandt-Radierung zeigt, die weiland schon Johann Wolfgang Goethe gefallen hat. „Der barmherzige Samariter“ von 1633. Dort ist zu sehen, wie der Mann aus Samarien, der sich eines von Räubern zusammengeschlagenen Mannes annimmt, den Herbergswirt für dessen Aufnahme des Verletzten bezahlt. Und wer sitzt unten am Bildrand vor dem Pferd des Samariters? Ein kackender Hund. Gleichzeitig Verkörperung niederer menschlicher Instinkte, wie auch Ironisierung der Bibelszene.

Großartig auch der skurrile, impressionistische Holzschnitt „Der Windstoß“ von Felix Vallotton. Die Pariser Straßenszene zeigt einen Luft- und Staubwirbel, der die Röcke und Hüte der Damen bedroht und die Rückenkontur eines Kindes erfasst und unsichtbar macht. Dagegen übersteht ein schwarzer Hund den Wirbel als eine zielstrebig durch die Luft paddelnde Gestalt. Dessen Rasse zu bestimmen fällt schwer, anders als beim Fischernetze einholenden Portugiesischen Wasserhund und dem Pomeranischen Zwergspitz von Queen Victoria, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Dass Geistesgrößen durchaus unterschiedlich über den als positive wie negative Projektionsfläche menschlicher Tugenden und Laster glänzend funktionierenden besten Freund des Menschen urteilen, verdeutlichen plakative Zitate an den Wänden. „Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und Antworten ist in den Hunden enthalten“, spricht Franz Kafka. Gottfried Wilhelm Leibniz sieht ihn weniger überschwänglich: „Der Hund ist ein von Flöhen bewohnter Organismus, der bellt.“

Und eine Bestie, ein grimmiges, menschenfressendes Monster, wie Bilder von Francisco de Goya und Emil Nolde illustrieren, der eine menschliche Gestalt mit Punkerfrisur über eine stachelige Nabelschnur mit einem Fabelwesen verbindet, das Hund und Krokodil zugleich ist.

Apropos: An was denken leidgeprüfte Berliner Anrainer, wenn sie an Hunde denken? Jawohl, an Hundehaufen. Für diese leidige Sauerei hat der ideenreiche Dieter Roth 1973 eine ungeahnte Reflexionsebene gefunden. In schwungvollen, rotierenden Linien schwarz auf gelb zu Papier gebracht, nennt er sein in jeder Hinsicht überzeugendes Werk „Selbstporträt als Hundehauf“.

Berliner Kupferstichkabinett, bis 20.9., Di/Mi/Fr 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr, Katalog 14,90 €

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