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Lichtspiel: Michael Kennas "Full Moonset" entstand 2007 vor dem Chausey Inseln im Ärmelkanal.

© Galerie Albrecht

Fotografieausstellung in der Galerie Albrecht: Hymnen an die Nacht

Die Galerie Albrecht sieht die Welt derzeit Schwarz-Weiß. Fotografien – mal nächtlich ästhetisch, mal schwermütig – sind dort aufgereiht.

Fotografie – ein Spiel. Fast könnte man die Arbeiten des amerikanisch-ungarischdeutschen Künstlertrios in der Galerie Albrecht auf diesen Nenner bringen. Denn ist es mehr als ein Spiel, eine halbe Nacht lang auf den Auslöser einer Hasselblad zu drücken, um das langsame Wandern des Mondstrahls über einer Landschaft festzuhalten?

Menschenleere, vorzugsweise winterliche Landschaften, ungarisch schwermütig

Michael Kenna, 1953 in England geboren und seit 1977 im amerikanischen Westen beheimatet, ist geradezu ein Spezialist für fotografische Hymnen an die Nacht, von denen er die besten schon einmal in seinem Fotobuch „Night Walk“ versammelt hat. Die Aufnahme vom Felsenkloster Mont-Saint-Michel in der Normandie dürfte eine seiner schönsten sein: Weiß leuchten die Klostermauern über der dunklen Ebene, die vor ihnen liegt. Eine rettende Insel der Spiritualität?

Auch bei Tage verliert Kenna nie seinen angelsächsischen Humor, etwa wenn eine Pferdefigur auf einem Türmchen geradewegs in eine Himmelswolke zu reiten scheint. Ernste Würde strahlt dagegen das mit Eiskügelchen bestreute Pflanzenblatt aus, das wie unter den Bildrahmen gespannt vor dem Betrachter liegt. Kleine Blätter, Wolken, die Schatten von Vögeln – alles ist kunstwürdig und kostet hier 2700 bis 4300 Euro.

Auch Gábor Kerekes (1945 – 2014), der viele Jahre als Fotojournalist der renommierten ungarischen Zeitschrift „Képes“ arbeitete, wandert gern durch menschenleere, vorzugsweise winterliche Landschaften, wenngleich ihm Kennas fröhlicher Sinn dabei abgeht. Ungarisch schwermütig ruht sein Auge, meist aus der Distanz, auf düsteren, offenbar stillgelegten Fabriken, Betonwerken oder dem Gerippe eines Gasometers – optische Manifestationen eines Abschieds, der womöglich auch Kindheit und Familie umfasst. Die Fotografie eines Jungen, der mit einem Badereifen um den Hals freundlich in die Kamera lächelt, verliert mittels Überblendung seine scharfen Umrisse. Als käme sie geradewegs aus der Werkstatt von Gerhard Richter – oder eben aus der Erinnerung. Obschon mit elf Arbeiten (2400 – 3500 €) gut vertreten, bleibt der Eindruck doch zu begrenzt, um dem Œuvre von Kerekes wirklich näher zu kommen.

Bilder vom Anhalter Bahnhof, vor dem Gebäude des Tagesspiegels

Eine lange Wand darf Thomas Lüttge (geb. 1941) mit 18 kunstvollen Einfällen für sich beanspruchen. Mal bildet der Askanische Platz vor dem Anhalter Bahnhof, mal die Abflughalle des John-F.-Kennedy-Airports in New York, mal eine überaus belebte Straßenkreuzung in einer indischen Großstadt den Schauplatz für Experimente mit der Fantasie des Betrachters.

Mit Bedacht betreibt Lüttge Verwirrspiele: Herumliegende Gegenstände, Trümmer, Lichtstreifen im Vordergrund ziehen die Aufmerksamkeit vom schlicht dokumentarischen Gegenstand ab, als kämen dem Fotografen Assoziationen und Fragen in die Quere, die er gern visualisieren möchte, ohne sich jedoch frei im Raum bewegen zu können. Die Schwarz-Weiß-Fotografie, über deren aktuelle Wiederbelebung man sich nur freuen kann, gerät auf diese Weise in den Fokus eines viel Mitarbeit verlangenden visuellen Fragments.

Galerie Albrecht, Charlottenstr. 78, bis 5. 9. (Sommerpause von 10. – 29.8.), Di – Fr 11 – 18 Uhr, Sa 11 – 16 Uhr

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