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Nur gemeinsam können Papillon (Charlie Hunnam) und Dega (Rami Malek) das Straflager überleben.

© Constantin

Im Kino: "Papillon" als Remake: Reif für die Insel

Das Remake des Gefängnisklassikers „Papillon“ weckt Sehnsucht nach dem Original.

Verwegen ist es schon, diesen Film noch einmal zu drehen, „Papillon“ von 1973. Unlöschbar die letzte Szene, als der Sträfling und unverbesserliche Flüchtling Papillon (Steve McQueen) sein Kokosnuss-Floß von den Klippen ins Meer wirft: Er hat genau beobachtet, nach welcher Welle es eine Chance hat, nicht an den Felswänden zu zerschellen – eine einzige von etwa zwanzig. Und natürlich wird Dega, gespielt von Dustin Hoffman, mit ihm springen, alles andere wäre undenkbar. Aber dann bleibt der Freund einfach stehen. Er schaut dem kleiner werdenden Treibgut der Freiheit hinterher und wendet sich dann ab, um die Blumen in seinem armseligen Garten zu gießen und das Schwein zu füttern, als wäre nichts gewesen. Ein halb freigelassener Sträfling am falschen Ende der Welt.

Diese Szene, diese großartige Allegorie auf das Verhältnis von Freiheit und Heimat (in sich vollkommen paradox), ist in Michael Noers Remake viel ärmer. Das Motiv des Heimischwerdens am fremden Ort fehlt. Warum bleibt der eine zurück? Nur aus Furcht vor der Gefahr, vor dem Sprung ins Ungewisse? Manchmal ist die scheinbar banalere Variante die tiefere. Hier ist sie es nicht.

Mit dem Gefängnisdrama „R“ gelang dem dänischen Regisseur Michael Noer der Durchbruch. Für ihn hat die Strafanstalt also durchaus ein gutes Karma, und die Insel-Zuchthäuser von Französisch-Guayana um 1930 stellen gewissermaßen den Extremfall einer klaustrophobischen Situation dar. Daran ändert auch die tropische Kulisse nichts. Der Gouverneur begrüßt die Neuankömmlinge in Begleitung seiner Wärter folgendermaßen: „Wir haben noch zwei weitere Wächter, den Dschungel und das Meer."

Henri Charrière ist ein galanter Safeknacker, kein Mörder

Franklin J. Schaffners Film begann 1973 mit diesem Appell wie mit einem Paukenschlag. Noer zeigt etwas, das im Original nicht vorkommt, doch behaupte niemand, es sei marginal. Auch für den Zuschauer ist es keineswegs zweitrangig, die Vorgeschichte eines Menschen zu kennen, dem er dann über zwei Stunden in keiner Einstellung ausweichen kann.

Die Geschichte des Diebes Henri Charrière beruht auf wahren Begebenheiten, er hat sie selbst erzählt. Papillon nannte man ihn nicht wegen seiner Zartheit, sondern weil er auf der Brust die Tätowierung eines Schmetterlings trug. Ein galanter Safeknacker, kein Mörder. Doch wir werden Zeuge seiner Verurteilung als Mörder, er war den falschen Leuten in den Weg geraten. Charlie Hunnam, bekannt geworden mit der Bikerserie „Sons of Anarchy“, ist nun Papillon, der Mörder, der keiner ist: ein junger Mann mit einem noch beinahe unverbrauchten Gesicht.

In einem Film, der fast keinen anderen Schauplatz hat als das menschliche Gesicht und die geschundenen Körper, ist das nicht unbedingt von Vorteil. Als Steve McQueen Papillon spielte, trugen seine Züge schon die tiefen Furchen, ohne die sein Bild heute nicht aufrufbar ist, sodass man glaubte, er sei schon so zur Welt gekommen.

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Schaffners „Papillon“ hob sich die Vorgeschichte des Sträflings für seine erste Begegnung mit dem Fälscher Louis Dega auf. Wunderbar, wie Dustin Hoffman, in großartiger Verkennung seiner Lage, dem Safeknacker mitteilt, er habe ihn anfangs durchaus „mit unwürdigem Misstrauen“ betrachtet. Und seine Augen kommentierten: Das Safe-Knacken sei nun einmal etwas sehr Primitives, im Unterschied zum Fälschen, das ohne eine tiefe Liebe zum Original, ja für die letzte Nuance des Originals, demnach ohne die Fähigkeit tiefster Anverwandlung, nicht denkbar sei. Das gilt auch für gefälschte Kriegsanleihen. Ihretwegen befindet sich Dega an Bord des Gefängnisschiffes.

Die Tugend der Fingerfertigkeit

Mag sein, es sind eher filigrane Tugenden, die den Fälscher ausmachen, das Feingliedrige zumal. Mit ihren groben Fäusten und deren spezifischer Motorik wären alle anderen Passagiere dieses Dampfers in seinem Beruf verloren. In ihrer Welt aber ist er es. Er wird nicht überleben können ohne den Schutz des Safeknackers und ist doch zu sehr Künstler, zu sehr Eigenweltbewohner, um das sofort zu bemerken.

Im Remake spielt Rami Malek diesen Dega. Rema, der für seine Rolle des schizophrenen Hackers in der Serie „Mr. Robot“ mit Preisen überhäuft wurde, macht aus dem Fälscher einen eher femininen Charakter. Beide teilen die Aura größter Verletzlichkeit, das manchmal geradezu Durchscheinende, doch bei Hoffman war selbst die Naivität Degas vergeistigt, er konnte die Kurzsichtigkeit gleichsam noch von hinten spielen, in jeder seiner Äußerungen lag etwas Doppelbödiges.

Noers „Papillon“, oft mit dem Original identisch bis in die Szenenfolge, ist kein schlechter Film, er ist nur ein blasserer Wiedergänger. Die Grundkonstellation entfaltet sich auch hier, Noer selbst hat auf die faszinierende Ähnlichkeit des Gefängnisses mit einer Theaterbühne hingewiesen: „Jeder hat dort seine Rolle zu spielen, man muss ständig auf der Hut sein und darf niemals seine Maske fallen lassen.“

Noer drehte an Originalschauplätzen

Hoffman und McQueen waren Virtuosen darin, die Maske zu verlieren, ohne sie abzusetzen – sie abzusetzen, ohne sie zu verlieren. Hunnam und Malek sind eher Novizen. Aber auch sie zeigen, wie sich zwei Menschen, die sich gewöhnlich nie begegnet wären, die nichts miteinander gemein haben, sich aneinander wandeln, sich gegenseitig zu Rettern werden. In ihrer Welt zählt nichts als sie selbst, und doch riskieren sie ihr Leben füreinander. Und sie spüren, dass genau dieser vollkommen unverhältnismäßige Einsatz sie im Dasein hält.

Den Alltag eines brutalen Strafvollzugs, in dem die Häftlinge eher wie Ungeziefer behandelt werden, zeigt auch Noer auf eindringliche Weise. Wie Schaffner hat er an Originalschauplätzen gedreht, und man mag sich kaum vorstellen, wie Henri Charrière an diesen inzwischen verwaisten Ort zurückkehrt, von dem er in vierzehn Jahren acht Fluchtversuche unternommen hatte. Ein einzelner Mensch, und doch war er am Ende stärker als ein ganzer Justizapparat.

Etwas von dieser Kraft sollte ein Remake schon besitzen, wenn der Regisseur nicht nur seine Chuzpe beweisen will. Die Kunst ist manchmal fast so grausam wie der Strafvollzug: Man braucht nicht einmal schlecht zu sein. Schon darin, das Original noch mehr zum Leuchten zu bringen, liegt das Urteil.

In 12 Berliner Kinos

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