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Kultur: Im Kleinen frei Dresdens Museumsnestor Werner Schmidt ist tot

Unter den Bedingungen der geschlossenen Gesellschaft in der DDR konnte selbst die Tätigkeit eines Museumsdirektors politisch werden. Werner Schmidt hat diese Herausforderung nie gescheut.

Unter den Bedingungen der geschlossenen Gesellschaft in der DDR konnte selbst die Tätigkeit eines Museumsdirektors politisch werden. Werner Schmidt hat diese Herausforderung nie gescheut. Als Direktor des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sorgte er dafür, dass dem offiziellen Kunstbetrieb missliebige Künstler ihren Auftritt und – unter den existenziellen Bedingungen des Parteistaats beinahe noch wichtiger – regelmäßige Einkünfte durch Ankäufe erhielten. Gerhard Altenbourg, Max Uhlig, Carlfriedrich Claus und Hermann Glöckner hatten in Schmidt einen Verbündeten. Unermüdlich und voller List organisierte der ebenso eloquente wie jovial-bürgerliche Museumsmann Öffentlichkeit – auch wenn sie sich scheinbar nur auf den Spezialisten- und Liebhaberkreis eines Kupferstichkabinetts beschränkte. Schmidt reizte die Freiheit des kleinen Formats konsequent aus. Kabinettausstellungen von Arbeiten auf Papier entwickelten unter ihm eine oppositionelle Dimension, die landesweit wahrgenommen wurde. Der Begriff Nischenkultur ist hier unangebracht. Schmidt schrieb bewusst an einer alternativen Kunstgeschichte der DDR mit, die nach 1989 ihre zweite Chance bekam.

Studiert hat der 1930 in Pirna Geborene ganz klassisch: Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Leipzig und, bei Richard Hamann, an der Berliner Humboldt-Universität. Nach der Tätigkeit als Assistent von Ludwig Justi an der Ost-Berliner Nationalgalerie, wo er 1955 eine Ausstellung der Zeichnungen Adolph Menzels veranstaltete, wurde Schmidt nach Dresden berufen. Dreißig Jahre lang, von 1959 bis 1989, leitete er das Dresdner Kupferstichkabinett. Seit den siebziger Jahren durfte er in den Westen reisen, wo er um Schenkungen von Künstlern, Sammlern und Kunsthändlern warb. Bedeutende Konvolute von Picasso und Oldenburg gelangten so in den Besitz des Dresdner Kabinetts.

Ab Dezember 1989 amtierte Schmidt zunächst kommissarisch, von März 1990 bis Ende 1997 dann als berufener Generaldirektor der Dresdner Museen. Mit Hans-Joachim Giersberg in Potsdam und Günter Schade in Ost-Berlin gehört er zu den ostdeutschen Kunsthistorikern, die in den Wendejahren die Geschicke großer Museumsverbände lenken durften. Besonnenen Geistern wie ihm ist es zu verdanken, dass einige der wichtigsten Kultureinrichtungen der ehemaligen DDR den Prozess der Anpassung an westliche Standards mit Würde gemeistert haben.

Vor wenigen Tagen beendete Schmidt seine Arbeit am Werkverzeichnis von Hermann Glöckner, das anlässlich der vom Dresdner Kabinett veranstalteten Ausstellung Ende August erscheint. Am Donnerstag ist Werner Schmidt 80-jährig in Dresden gestorben.Michael Zajonz

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