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Kultur: Im Rückwärtsgang

In der Asperger Gallery wird Martin Blaszkos Werk wiederentdeckt

Die Formen swingen. Vibrieren und trippeln. Schaukeln sich hoch oder lehnen sich gelöst zurück. Pumpen sich die Lungen voll Luft, improvisieren drauflos, ein frischer Wind. Und bleiben doch stets der heilsamen Disziplin eines Konzepts verpflichtet. Kräftiges Schwarz wird von leuchtendem Rot, von Grün, Gelb und Blau begleitet. Lockere Kalligrafien werden durch die scharfen Schnitte der Collagetechnik kontrastiert. Viel entspannte Dynamik ist in diesen Blättern zu finden, das Bauhaus im Süden. Eine glückliche Kunst.

Auch im Leben hat Martin Blaszko Glück gehabt, Glück auf eine ganz elementare Weise. 1920 als Martin Blaszkowski in Berlin geboren, emigrieren er und seine Eltern wegen ihrer jüdischen Abstammung schon 1933 – zunächst nach Polen, 1938 nach Frankreich und im Jahr darauf nach Argentinien. Seine künstlerische Initiation erfährt Blaszko noch in Paris. Dort lernt er Marc Chagall kennen und wird für kurze Zeit sein Schüler. In Buenos Aires, wo der 87-Jährige bis heute lebt, studiert er bei Carmelo Ardén Quin und gewinnt so Anschluss an den gleichermaßen von Paris, Moskau, Dessau und Amsterdam geprägten Modernismo Lateinamerikas. 1946 gehört er zu den Mitbegründern der Künstlergruppe „Arte Madi“. In Argentinien wird er seither vor allem als Bildhauer geschätzt.

Ist es eine Rückkehr, wenn nun die Berliner Asperger Gallery die erste Einzelausstellung Blaszkos in Deutschland zeigt? Oder eine Wiedergutmachung? Zur Ausstellungseröffnung nach Deutschland wollte der alte Mann nicht mehr reisen, aber er spricht, erzählt Sara Asperger voller Bewunderung, noch immer ein fabelhaftes Deutsch.

Auf jeden Fall ist Blaszkos Ausstellung mit Arbeiten auf Papier (2400–5800 Euro), zwei kleinformatigen Gemälden und einigen kleinen abstrakten Bronzeskulpturen (8000–36 000 Euro) eine Entdeckung. Nur Bruchstückhaftes weiß man hierzulande über die Moderne des anderen Amerika. Längst vergessen die Retrospektive zur lateinamerikanischen Kunst 1990 im MoMA, die anschließend auch im Kölner Museum Ludwig gastierte. Vergessen auch Blaszkos Erfolge bei der Biennale von Venedig 1956 und der Brüsseler Weltausstellung zwei Jahre später.

Bleibt nur der unvoreingenommene Blick auf die Werke. Auf eine Kunst, die ihren zeitgebundenen Charakter zwischen Konstruktivismus und Informel nicht verleugnet und trotzdem auf Endgültigkeit zielt. Und dabei nie den Spaß am Leben vergisst. Michael Zajonz

Asperger Gallery, Sophienstraße 18; bis 19. Januar, Dienstag bis Donnerstag 14–19 Uhr, Freitag/Samstag 12–19 Uhr.

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