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Kultur: In der Hölle leuchten Glühbirnen „Orfeo ed Euridice“ im Neuen Palais Potsdam

Es ist bemerkenswert, wie selten der Beruf des Sängers in der Oper selbst zum Thema wird: Tannhäuser, Tosca, dann wird es schon dünn. Und Orpheus, natürlich.

Es ist bemerkenswert, wie selten der Beruf des Sängers in der Oper selbst zum Thema wird: Tannhäuser, Tosca, dann wird es schon dünn. Und Orpheus, natürlich. Er ist die prototypische Opernfigur, viele Komponisten haben, auch noch im 20. Jahrhundert, auf den mythischen Stoff zurückgegriffen – zweimal auch an entscheidenden Wendepunkten der Musikgeschichte: Monteverdi erfand 1607 mit „L’Orfeo“ die Oper, wie wir sie kennen, überhaupt erst, und Gluck schrieb 150 Jahre später mit „Orfeo ed Euridice“ seine erste Reformoper. Das bis dahin übliche Bühnengewimmel ersetzte er durch nur noch drei Figuren – einfache, klare, glaubwürdige Charaktere.

Die Potsdamer Winteroper setzt jetzt ihre schöne Tradition fort, Stücke des 18. Jahrhunderts im Schlosstheater des Neuen Palais’ aufzuführen. Und weil der Chor in „Orfeo ed Euridice" (wieder am 1. und 2. 12.) so eine wichtige Rolle spielt, haben sich die Kammerakademie Potsdam und das Hans-Otto-Theater mit dem Cottbuser Staatstheater zusammengetan. Antonello Manacorda dirigiert das kleine Orchester mit harter Gestik, und so klingt es auch: forsch, expressiv, drängend. Dem Stück tut das gut. Erstaunlich, dass Manacorda ausgerechnet in der berühmten Arie des Orpheus „Che farò senza Euridice?“ das Tempo ausbremst. Aber so schafft er eine Insel der Ruhe, die den Klagegesang weit entrückt.

Gluck schrieb die Partie des Orpheus für Altkastraten, später für Tenor. Jochen Kowalski hat ihr die irrisierende Fiebrigkeit, die überirdische Schönheit eines Countertenors verliehen. In Potsdam singt Maria Gortsevskaya mit rötlich schimmerndem Mezzo. Schockiert will sie Eurydikes Tod nicht akzeptieren, irre flackert ihr erregter Blick beim Einlass in die Unterwelt. Zusammen mit dem eher weißlich gefärbten Sopran von Evmorfia Metaxaki als Amor und dem wärmeren Sopran von Isa Katharina Gericke als Eurydike ergibt das eine reizvolle Mischung dreier weiblicher Klangfarben.

Regisseur ist der Cottbuser Intendant Martin Schüler, er lässt einen schwarzen Sarg auffahren, komplett mit Kranz und Blumen. Das sieht zunächst arg plakativ aus. Aber Schüler kriegt die Kurve, findet zu reizvoll stilisierten Szenen: Eurydike liegt in der Badewanne wie der ermordete Marat, den Hades – hier eher Elysium als Hölle – erleuchtet der Chor mit Glühbirnen und trägt dabei Totenmasken. Eine gemäßigt-moderne Inszenierung in poetischen Bildern. Udo Badelt

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