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Zwischenlandung. Mit ihrer Installation verweist Feleksan Onar auf den fragilen Alltag syrischer Flüchtlinge.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst/David von Becker

Installation im Aleppo-Zimmer: Vögel ohne Flügel

Museum für Islamische Kunst: Feleksan Onar zeigt im Aleppo-Zimmer eine traurige Geschichte.

Sie scheinen sich aus der Täfelung des Aleppo-Zimmers befreit zu haben, sitzen in kleinen Gruppen beieinander, an der Ecke, an der Stufe, auf einem kleinen Podest – insgesamt 27 kleine bunte Vögel aus fragilem Glas. Das Aleppo-Zimmer ist eines der bedeutendsten Objekte im Museum für Islamische Kunst Berlin im Pergamonmuseum. Friedrich Sarre, der Gründer des Museums, hatte die rotgrundige und üppig bemalte Vertäfelung aus dem 17. Jahrhundert in Aleppo bei der Renovierung des Hauses Bayt Wakil für das Museum gekauft.

Entstanden ist die Holzvertäfelung um 1603 im Auftrag des christlichen Händlers und Maklers Isa ben Butrus. Bemalt hat sie vermutlich ein Maler persischer Herkunft, der auf den Tafeln religiöse Themen dargestellt hat, die in allen drei Religionen bekannt sind. Der Stil ist persisch und osmanisch. Juden, Muslime und Christen lebten damals friedlich in Aleppo zusammen, die Stadt zog Inder, Georgier, Armenier, Venezianer, Holländer und Engländer an. Die kulturelle Vielfalt der Metropole spiegelt sich in der Bemalung der Wandverkleidung.

Feleksan Onar: "Zwischenlandung". Gefertigt hat sie diese Vögel 2017 im Berlin Art Glas Studio. Glasbläser: Jesse Güntherund Sadhbh Mowlds. Privatbesitz der Künstlerin.
Feleksan Onar: "Zwischenlandung". Gefertigt hat sie diese Vögel 2017 im Berlin Art Glas Studio. Glasbläser: Jesse Güntherund Sadhbh Mowlds. Privatbesitz der Künstlerin.

© Foto: Kerem Sansman

Nun hat sich die türkische Glaskünstlerin Feleksan Onar durch einen Blick aus ihrem Istanbuler Atelier auf den Hof voller Flüchtlinge aus Syrien zu dieser Installation „Perched / Zwischenlandung“ inspirieren lassen. Die Stufen der wunderschönen alten Gebäude im Istanbuler Stadtteil Pera sind für sie die neuen Nester der Geflüchteten aus Syrien. Mehr als 500 000 leben in Istanbul, allein 250 000 syrische Babys wurden in der Türkei geboren: „Die gestrandeten Flüchtlinge finden sich inmitten der chaotischen Stadt wieder – sie sitzen auf Treppen und Gehwegen, nicht wissend, was als Nächstes kommt, wohin sie gehen sollen – sie sind zwischengelandet, aber nicht fähig zu fliegen oder sich zu bewegen“, schreibt sie.

So sieht man bei genauerer Betrachtung, dass ihre durchscheinenden, fragilen und farbigen Vögel im Aleppo-Zimmer keine Flügel haben. Sie hocken in kleinen Gruppen auf dem Boden wie aus der Wand gefallen, gemalte Vögel in 3-D, doch der zunächst unbeschwerte Eindruck der bunten Vogelschar wird durch die gestutzten Flügel getrübt. Wie weiter? Onar gibt darauf keine Antwort.

Fantasievogel. Detail des Aleppo-Zimmers, Pigmentmalerei auf Holz, Syrien, 1601-1603.
Fantasievogel. Detail des Aleppo-Zimmers, Pigmentmalerei auf Holz, Syrien, 1601-1603.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Georg Niedermeiser

Das Problem der Heimatlosigkeit ist Feleksan Onar vetraut. Sie wuchs in der Kleinstadt Söke an der türkischen Ägäis-Küste auf, wo nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg Türken und Griechen, die einst friedlich zusammengelebt hatten, auseinandergerissen wurden. Onars künstlerische Intervention wurde durch den Roman „Birds without Wings“ von Louis de Bernières inspiriert, der dieses Thema aufgreift. In dem Roman sagt der Held Iskander: „Der Mann ist ein Vogel ohne Flügel, und ein Vogel ist ein Mann ohne Sorgen.“

Onar setzt mit ihrer Installation einen starken Akzent und wirbt um Aufmerksamkeit für das Schicksal der Flüchtlinge. Das Aleppo-Zimmer ist jetzt erst recht eine Ikone der alten Kultur- und Handelsmetropole geworden.

Eine Fototafel des Syrian Heritage Archive Project zeigt am Eingang zum Zimmer die schweren Zerstörungen an dem Bayt Wakil (Haus Wakil), aus dem das Zimmer stammt. Zuletzt war es ein Hotel, bevor sich Milizen in diesem wunderschönen alten Haus einnisteten und es dadurch zu einem militärischen Ziel machten. Die Mauern stehen noch, die Kuppel ist noch zu erahnen, der Boden der Ruine ist mit Trümmern und Schutt bedeckt. Ein trauriges Bild – wie die Vögel ohne Flügel.

Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, bis zum 8. April

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