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Schießende Soldaten

© dpa

Iran: „Amerikaner töten in Teheran“

Amir Hassan Cheheltan erzählt seine Geschichte des Iran. Der Hass, aus Neid geboren?

„In diesem Land ist alles möglich“, erklärt der Professor, der eigentlich nur so genannt wird, weil er ständig mit Büchern unterwegs ist, seinem Zufallsbekannten George an der Hotelbar. Der, Großneffe von Robert Imbrie, dem provisorischen Vizekonsul von Teheran, der 1924 vom Teheraner Pöbel tödlich verletzt wird, ist in den Iran gereist, um herauszufinden, warum hier immer „Amerikaner erschossen werden“. Mit dieser „Zeremonie des Hundetötens“ aus einer Zeit, zu der die Amerikaner im Iran noch gelitten waren, heben die sechs „Episoden über den Hass“ an, in denen der 1956 geborene Amir Hassan Cheheltan fast ein Jahrhundert traumatischer Geschichte des Iran erzählt.

Der doppelsinnige Titel „Amerikaner töten in Teheran“ umreißt das Programm der sich nach der Rückkehr des Schahs radikalisierenden Linken und verweist zugleich auf die amerikanischen Agenten und Militärberater, die beim Putsch gegen Mossadegh eine Schlüsselrolle spielten. Aus Furcht vor dem Einfluss der Sowjetunion sorgten sie für die Inthronisierung des Schahs und dafür, dass „die Interessen des Volkes nie zur Deckung gelangten mit denen der iranischen Regierung“.

Die losen Handlungsstränge, die Schlüsselszenen der iranischen Geschichte im 20. Jahrhundert umfassen, erschließen sich nach und nach. Im Mittelpunkt stehen der „Professor“ und George, die aus einer Zentralperspektive das Geschehen kommentieren, und die Teheraner Familie Huschmand, die über zwei Generationen im Untergrund zuerst gegen den Schah, dann gegen die Mullahs operierten. Die immer wieder aufgerufene Vorgeschichte – die Ermordung Imbries und der Staatsstreich gegen Mossadegh – liefert Erklärungen für die künftigen Ereignisse: Warum ein Land, das, vom Einfluss der Ayatollahs und der Briten bestimmt, jene Modernisierung verpasste, die das Nachbarland Türkei erfolgreich absolvierte, und sich an die Amerikaner band.

Die Rolle der USA im Iran verdeutlicht Cheheltan an Robert Imbrie und dem CIA-Agenten Kermit Roosevelt, der in die Putschaktionen der fünfziger Jahre involviert war. War Imbrie noch der interessierte Beobachter des Mythos Orient, der wider Willen in die Geschichte verwickelt wurde, gibt Roosevelt den Provokateur, der das Land im Interesse Amerikas destabilisiert. Aber auch die zaudernde Haltung der Mossadegh-Regierung und der Militärs trägt dazu bei, dass dieser Sommer 1953 zu einer Schicksalszeit für den Iran wird, die das Ende der nationalen Bewegung zur Verstaatlichung des Erdöls einläutet und eine bis heute offene Wunde schlägt. Aber nicht etwa die Militärs oder die Ayatollahs werden hierfür verantwortlich gemacht, sondern ausschließlich „die Amerikaner“, als ob mit dieser Verschiebung nach außen die Einheit nach innen gewahrt werden könnte.

Cheheltan illustriert dies in spannenden Geschichten, die um die Familie Huschmand kreisen. Resâ Huschmand ist der Typus des unbeholfenen Provinzlers, der glaubt, eine Mission erfüllen zu müssen und zum Opportunisten wird. Seine Zwillingsschwester Minâ bandelt mit einem Amerikaner an und kommt bei einem Selbstmordanschlag ums Leben. Malak Bânu, die Mutter der beiden, ist die aufrechte Revolutionärin, die schon viele Opfer gebracht hat und sich eingestehen muss, dass weder ihr Mann noch ihr Sohn des ihnen zuteil gewordenen Ruhmes würdig sind. Diese Episoden, aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und sich weiterspinnend wie die Märchen aus 1001 Nacht, sind farbig und pointiert. Sie geben eine Vorstellung von dem, was die Menschen umtreibt: „Alle in diesem Land wollen Westler werden, sogar diejenigen, die den Westen verabscheuen. Dieser Wunsch, ihn zu vernichten, ist aus abgrundtiefem Neid erwachsen“, klärt der Professor George auf. „Sie wissen, dass grenzenloser Neid in Hass umschlägt.“ Kann man aber „den anderen das Recht zu leben, einfach absprechen?“

Diese kommentierenden Passagen gehören zu den schwächeren Teilen des Buches, nicht zuletzt, weil sie in der Übertragung des versierten Duos Susanne Baghestani und Kurt Scharf manchmal überraschend hölzern daherkommen. Für den vor zwei Jahren erschienenen Roman „Teheran, Revolutionsstraße“ ist der einst exilierte, mittlerweile wieder in Teheran lebende Cheheltan mit Lob überhäuft worden. Dass er ein Kenner der iranischen Verhältnisse und Mentalität ist und den Wechsel von eindringlichen Szenen und ironischem Kommentar beherrscht, beweist er auch mit diesem neuen Buch.

Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran. Ein Roman über den Hass in sechs Episoden. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. C.H. Beck, München 2011. 189 S., 18.95 €. - Buchvorstellung am 12.9. um 20 Uhr im Haus der Berliner Festspiele. Am 11.9. um 20 Uhr tritt Cheheltan bei der Gedenkveranstaltung des Literaturfestivals zum zehnten Jahrestag von 9/11 auf.

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