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© Museum of Islamic Art

Islamische Kunst in Doha: Die Museumsinsel am Golf

Schätze einer Weltkultur: Das neue Museum Islamischer Kunst in Doha ist auch ein Ansporn für Berlin.

Die Wegführung ist uralt. Man kommt mit dem Schiff. Man lässt das Getriebe der Stadt hinter sich und steuert auf das Bauwerk zu, das sich im rötlicher werdenden Schein der im Persischen Golf versinkenden Sonne pastellfarben aus seiner Umgebung löst, um sich bald als ein steinernes Gebirge erhaben vom Ufer zu lösen. „Dort habe ich die Essenz der islamischen Architektur gesehen, wie das Sonnenlicht Körper und Geometrie zum Leben erweckt“, hat Baumeister I. M. Pei gesagt, als er über seine mehrjährige Informationsreise zu der ihm zuvor „vollständig unbekannten“ islamischen Architektur berichtet und über das Erlebnis, das ihm die Kairoer Ibn-Tulun-Moschee bereitete.

Die „Essenz islamischer Architektur“ – das ist ein großes Wort, und wenn auch das neue und seit Anfang Dezember zugängliche Museum Islamischer Kunst in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, leicht als Gebäude von islamischer Architekturauffassung zu erkennen ist, so wäre es vermessen, darin eine „Essenz“ zu suchen. Es ist ein Museum. Und die islamische Baukunst hat derlei nie hervorgebracht. Das Museum ist eine Erfindung des Westens, nicht zuletzt der Französischen Revolution. Natürlich gibt es Museen in islamischen Staaten, wer dächte nicht an das herrlich verstaubte Ägyptische Nationalmuseum in Kairo, aber es ist kein eigenständiger Bautyp.

Und genau das führt bereits mitten in die Problematik dieses wunderbaren Bauwerks, das der altersweise I. M. Pei da für eine ungenannte Bausumme an die Uferstraße des staubigen Doha gesetzt hat (es sei übrigens sein „letztes“ wie der 91-Jährige gerne betont). Denn die Kernfrage lautet: Gibt es eine islamische Kunst? Vorsicht vor political correctness: Natürlich gibt es sie. Es gibt sie in einer staunenswerten Schönheit und Vielgestalt. Es gibt sie, so, wie sie im neuen Museum in Doha in prachtvoll ausgeleuchteten Einzelkabinetten präsentiert wird, in hinreißender Einzigartigkeit. Aber gibt es sie als Kunst? Oder nicht doch vielmehr als jeweils aufs Kunstvollste gearbeitetes Zeremonialgerät oder als Herrschernachweis.

Bereits 2006 sollte in Doha Eröffnung gefeiert werden. Die Frage nach dem – im westlichen Sinne – Kunstcharakter islamischer Kultur hat sich seither noch vertieft. Die erste Sonderausstellung ist denn auch gleich „Jenseits der Grenzen“ betitelt und weitet den Horizont des islamischen Kulturbeitrags mal eben so von China bis Spanien. Alles richtig, und alles mit atemberaubenden Objekten belegt.

Islam als Kunst: Das ist keine akademische Diskussionsvorlage, sondern pure Politik. „Wir können nicht fortfahren, den Islam mit einer Herrschaft der Gewalt in Verbindung zu bringen“, erklärt Khalifa Al Thani, die Tochter des katarischen Herrschers und Vorsitzende der Museumsbehörde. Stattdessen geht es ihr um „Beispiele von großem nutzbringendem Austausch zwischen den Ländern des Islam und ihren Nachbarn“. Nichts weniger als eine Brückenfunktion strebt Katar – und mit diesem Emirat wohl die ganze Golfküste – innerhalb eines globalen Gefüges an, das sich auch hier am Golf dramatisch verändert.

Islam als Kunst, das hat eine besondere Präsentationsweise zur Folge. Als Ausstellungsarchitekt wirkt, wie schon bei Peis „Grand Louvre“ in Paris, der Franzose Jean-Michel Wilmotte. Er hat die beiden Hauptetagen des fünfstöckigen Gebäudes in delikat ausgeleuchtete Schatzkammern verwandelt, in denen jedes Objekt als Kunstwerk einzigartigen Wertes zur Geltung kommt. Obgleich die Sammlung des Museums binnen kaum mehr als fünfzehn Jahren für mehrere hundert Millionen Pfund systematisch aufgebaut worden ist, folgt sie über den unbedingt durchgehaltenen Beleg der regionalen Ausdehnung des Islam zwischen Westeuropa und Ostasien keinem im strengen Sinne historischen Konzept. Das Kapitell aus der zerfallenen Palaststadt Mehdinat al-Zahra in der Nähe Cordobas, ein Meisterwerk marmorner Ziselierarbeit des 10. Jahrhunderts, steht für seine eigene Schönheit, nicht aber für die Baukunst der Umayyaden. Allein die Sammlung gläserner Moscheeampeln aus dem Kairo des 14. Jahrhunderts geben eine Kunstform wieder, die, wenngleich regional stark begrenzt, das Formempfinden des Islam in beispielhafter Weise darzustellen vermag.

Und dann ist da die grandiose Sammlung astronomischer Uhren, die der komplizierten Bestimmung der täglich wechselnden, fünfmaligen Gebetszeiten an den unterschiedlichsten Punkten der islamischen Welt dienten. Was diese Sammlung für Doha so wertvoll macht, ist der Ausweis der wissenschaftlichen Leistungskraft des Islam, über die im Westen bekanntlich keine allzu hohe Meinung herrscht. Das Staunen vor den beiden Glaswänden dieser Sammlung genügt, solches Vorurteil zu bannen. Was demgegenüber aus konservatorischen Gründen zu kurz kommt, ist die Kalligraphie. Blätter wie der in goldener Tinte auf dunkelblauem Pergament geschriebene Koran aus dem 9.Jahrhundert haben in ihrer unbedingten Konzentration auf die Schrift im Abendland nichts Vergleichbares.

Und dann ist da noch das Porzellan. Es kam aus China mit den Schiffen, die Seide und Gewürze in die Handelszentren brachten. Auch die damaligen Muslime konnten Porzellan nicht herstellen und mussten sich mit irdenen Töpfen begnügen, denen sie mit weißer Glasierung den Anschein des gesuchten Materials verliehen. Aus dem Basra des 9. Jahrhunderts stammt eines der schönsten Stücke des Museums: eine 20 Zentimeter messende Schale, auf der eine blaue Schrift angebracht ist. Sie besagt nichts weiter als „Hergestellt von Salih“. Nicht der lapidare Gehalt dieses Schriftzugs frappiert, sondern die Modernität des ästhetischen Arrangements. Diese Schale verkörpert, was die westliche Kunst erst eintausend Jahre später auf ihre Art verwirklichte.

Gewiss gab es auch den so gern beschworenen Austausch. In den Sonderausstellungsräumen des Erdgeschosses stehen zwei Fabelwesen einander gegenüber: der berühmte geflügelte „Greif von Pisa“ wohl aus dem islamischen Spanien seiner Spätblüte. Jahrhundertelang für eine Fontäne gehalten, handelt es sich um einen Geräuschautomaten, wie ihn der Gelehrte Ibn al-Razzaz al Jazari im 13. Jahrhundert beschrieben hat. Und gegenüber diesem nie zuvor ausgeliehenen Fabelwesen steht ein erst 1993 aufgetauchter, heute in einer chinesischen Privatsammlung verwahrter Löwe gleicher Herkunft und Mechanik. Der Katalog mutmaßt, der Löwe möge im normannischen Sizilien beheimatet gewesen sein und somit das Ausmaß des kulturellen Austauschs dokumentieren.

Um diese Brückenfunktion geht es dem Museum für Islamische Kunst in Doha. An ihm kommt von nun an nicht mehr vorbei, wer sich für islamische Kunst begeistert. Für Kunst, wohlgemerkt; denn den Islam als politische Größe oder gar Bedrohung weisen die Herrscher Katars weit von sich. Die kalksteinerne Pyramide I.M. Peis am Persischen Golf ist ein Meilenstein, auf den das künftige Berliner Humboldt-Forum ebenso reagieren muss wie die deutsche Außenpolitik insgesamt.

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