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Víkingur Ólafsson und das Iceland Symphony Orchestra unter Leitung von Daniél Bjarnason, am Sonntag im Konzerthaus.

© Markus Werner

Islandfest im Konzerthaus: Schönheit des Zerrbilds

Víkingur Ólafsson und das Iceland Symphony Orchester gastieren im Berliner Konzerthaus.

Das Konzerthaus ist mein zweites Zuhause geworden, sagt Víkingur Ólafsson und freut sich, dass er zum Abschluss des Islandfests in Berlin mit Musikern aus seiner Heimat hier auftreten kann. Der Pianist in Residence hat alle Sympathien auf seiner Seite an diesem Sonntagabend, feiert seinerseits den Dirigenten und Komponisten von „Processions“ für Klavier und Orchester, Daníel Bjarnason, und schenkt dem Publikum zwei Zugaben: ein „Ave Maria“ des Isländers Sigvaldi Kaldalons und eine Bach-Prélude-Bearbeitung. Und so einnehmend wie sein Wesen ist auch das Klavierspiel des 35-Jährigen.

Schon bei seinem Bach-Recital im Oktober frappierte Ólafssons Mischung aus natürlicher Diktion und Präzision, sein müheloser Wechsel von hart konturierter Melodieführung zu flirrenden Tonrepetitionen oder meditativer Bassmelodik. Ein Meister der Temperamente, ein Forscher, ein Träumer, ein Tänzer.

Komponist und Interpret sind seit Ewigkeiten befreundet: Ólafssons Mutter war Bjarnasons Klavierlehrerin. Die „Processions“ schrieb er vor zehn Jahren eigens für den Pianisten.

Es war die Zeit der Finanzkrise, der ganz großen Verunsicherung: Auf wuchtige Schläge folgen scheue Einwände, zittrig erschütterte Tonmuster, auskomponierter Nachhall. Ólafsson versenkt sich in die Partitur (er spielt übrigens vom Tablet), kostet schon die schlichte Terz im Kopfsatz aus, die sich zum Volksliedgesang weitet, zeichnet Bjarnasons mal heitere, mal düstere Traumgesichte minutiös nach und widmet sich der absichtsvoll verrutschten Polyfonie im Passacaglia-ähnlichen Finalsatz ebenso wie dessen synkopisch pulsierender Energie.

Bereits bei Anna Thorvaldsdottirs zwölfminütigem Naturklangbild „Aeriality“ zu Beginn des Abends hatten sich Landschafts- und Fabelassoziationen eingestellt. Ein einziger Ton, das Fis, weitet sich um Vierteltöne, kleine Klangkissen lagern sich an, nach und nach entsteht eine wuselnde, murmelnde, mit eigentümlichen Geräuschen sich füllende Welt, ein Reich der Trolle und Geysire.

Forscher, Träumer. Der Pianist Víkingur Ólafsson, derzeit Artist in Residence beim Berliner Konzerthaus.
Forscher, Träumer. Der Pianist Víkingur Ólafsson, derzeit Artist in Residence beim Berliner Konzerthaus.

© Ari Magg

Zeitgenössische isländische Musik, so scheint es, liebt das leicht aus der Spur Geratene. Überall sanfte Zerrbilder, Zauberwaldweben oder der Wellenschlag eines ins Wasser geworfenen Steins. Die Musikerinnen und Musiker des Iceland Symphony Orchestra sind in ihrem Element.

Gegen so viel passionierte Tonmalerei hat das Pathos der Fünften von Jean Sibelius es schwer, überwiegt bei der wuchtigen Sinfonie doch die steife Motorik. Bei aller Expressivität vermisst man die Finesse, wie sie die isländischen Werke prägte. Auch wenn die souveränen Blechbläser Eindruck machen bei diesem Gastspiel aus dem Norden.

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