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Einladend. Der Torbogen von Marinella Senatore.

© Sandy Volz, Berlinische Galerie

Kunst mal ganz anders: Ist das ein Museum – oder darf ich hier parken?

Keine Regeln, keine Berührungsangst: Die Berlinische Galerie setzt ihren Parkplatz künstlerisch in Szene. Er soll ein Laufsteg für alle sein.

„Parkplätze zu Parks machen“ titeln gerade einige Wahlplakate in Berlin. Was man aus einer öden Abstellfläche für Fahrzeuge alles machen kann, zeigt die Berlinische Galerie. Auf dem Parkplatz des Landesmuseums in Kreuzberg wandelt man zwischen Kunstwerken, ab und an muss dann doch mal ein Auto einparken, Mitarbeitenden gehen zu ihren Fahrrädern in den Feierabend.

Kuratiert vom Kunsthistoriker Nuno de Brito Rocha bewegt sich die Ausstellung zwischen Experiment und Zukunftsvision. Es soll kein museales Projekt sein, deshalb gebe es keinerlei Barrieren außer dem Pförtner, sagt Volontärin Meryem Berker bei einer Führung übers Gelände. Ohne Eintritt, Zeitfenster und Tickets ist es der Versuch, Museum niedrigschwellig zu gestalten. Das führt aber auch dazu, dass viele Passant:innen am Parkplatz vorbeigehen, ohne die Kunst überhaupt wahrzunehmen.

[„Park Platz“, Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, Künstlergespräch mit Igor Vidor, Sa 18. 9., 18.30 Uhr, Anmeldung und Infos berlinischegalerie.de]

Dabei lohnt es sich. Besucher:innen schreiten durch das eindrucksvoll funkelnde Portal von Marinella Senatore, sitzen auf den bunten Möbeln des polnischen in Berlin lebenden Künstlers Przemek Pyszczek oder wagen einen Gang auf dem acht Meter langen Laufsteg von Lucas Odahara. Hier draußen gibt es keine Regeln, keine Lichtschranken, keine Berührungsangst: erfrischend, aber für manche zu ungewohnt, um ihn zu benutzen.

Im Werk des brasilianischen Künstlers Daniel Lie wehten anfangs kurkumagelbe Stoffbahnen im Wind, hielten Erde und Stroh in einem Ballen über Tontöpfen zusammen. Nach drei Monaten ist der Stoff von der Sonne gebleicht, die Erde ist herausgefallen, wurde zum Nährboden für Gräser und Pilze. Insekten schwirren herum, Kompostgeruch liegt in der Luft. Das Kunstwerk ist sich selbst überlassen.

Es geht um Sichtbarkeit

Davon kann auch Lucas Odahara berichten. Lachend erzählt der 1989 in São Paulo geborene Künstler und Designer, wie Vögel die bemalten Keramikfliesen seines Laufsteges mit einem Fluss verwechseln und ihr Geschäft darauf hinterlassen. Dabei hat sich Odahara gezielt diesen Randplatz unter dem Baum ausgesucht. Der Großteil des Catwalks steht auf dem Gelände der Berlinischen Galerie, aber ein kleiner Teil ragt durch den Zaun hindurch – „dazwischen“, so beschreibt es der Künstler, „ähnlich zu den Räumen, die queere Menschen in unserer Gesellschaft einnehmen“.

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Odahara geht es um Sichtbarkeit, aber auch darum queere Körper sowie das Kunstwerk im öffentlichen Raum nicht schutzlos auszuliefern. Dem Künstler gefällt an der „Park Platz“-Idee, dass Räume neu gedacht werden, zu fragen, wem der Zutritt zu Orten gewährt wird und wer davon ausgeschlossen wird. Kunstmuseen wirken mit ihren gesellschaftlichen Konventionen oft wie Festungen, in denen noch immer männliche, heteronormative und weiße Positionen dominieren. Sein Werk stellt der Odhara dagegen in die Tradition des „O Baile da Pantera Gay“, einer queeren Veranstaltungsreihe in den achtziger Jahren Jahren in Rio Branco.

Ein Laufsteg für die Selbstermächtigung

Während sich bisher kaum Besucher*innen auf den Laufsteg getraut haben, wünscht sich Odahara: „Lauft darüber, auf eine ermächtigende Art und Weise.“ Das taten die vier Künstler*innen vom Performance-Kollektiv CFGNY, die am gestrigen Mittwoch zum Start der Berlin Art Week auf dem Objekt auftraten. CFGNY steht für „Concept Foreign Garments New York / Cute Fucking Gay New York“. Die Gruppe interessiert sich für die Berührungspunkte von Mode, Ethnizität, Identität und Sexualität und untersucht anhand von Stellvertreter und Doubles, wie es ist als „anders“ wahrgenommen zu werden.

Der Berliner Künstler Raul Walch hat die drei Fahnen am Eingang zur Berlinischen Galerie gestaltet, sie hängen etwas abseits vom Parkplatz. Die mit Regenbogenfarben bemalten Stofffahnen seien als Einladung gedacht. Walch engagiert sich auch im Verein „Die Vielen“, der eine Kampagne zur Bundestagswahl gestartet hat. „Die Vielen“ ein Netzwerk aus Kulturarbeiter:innen, setzt sich unter anderem für das Wahlrecht für alle ein. Fast zehn Millionen Menschen dürfen in Deutschland nicht wählen, weil sie keinen deutschen Pass haben. Das betrifft auch viele Künstler:innen.

Dazu sagt Walch: „Man ist als Wähler in der Pflicht, für die mitzuwählen, die keine Stimme haben.“ In seinem Workshop „Wer wählt wen?“ konnten Wahlplakate mit eigenen Forderungen und Bildern gestaltet werden. Am Sonntag wollen „Die Vielen“ mit einer Demonstration, die um 14 Uhr vor der Neuen Nationalgalerie startet, auf das Thema aufmerksam machen.

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