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Jordan Peterson, kanadischer Psychologe und Kulturkritiker, Streiter gegen die politische Korrektheit

© Gage Skidmore/flickr.com/CC BY-SA 2.0

Tabubrecher und Liebling der Rechten: Ist Jordan Peterson der "einflussreichste Intellektuelle des Westens"?

Er ist Psychologe, Bestseller-Autor und Influencer. Die globale Rechte verehrt ihn. Jetzt wurde Jordan Peterson von der Universität Cambridge ausgeladen.

Es gibt eine Zeichnung von Klaus Stuttmann, die der Tagesspiegel nie veröffentlicht hat. Sie entstand im Jahr 2006, während der Protest-Krawalle in der muslimischen Welt gegen die Mohammed-Karikaturen. Die Zeichnung zeigt einen wütenden Chefredakteur, der sich die aktuelle Karikatur seines Karikaturisten ansieht und ihn anbrüllt: „Denken Sie bloß nicht – nur weil wir den Muslimen gegenüber unsere Pressefreiheit so betonen –, Sie könnten hier jetzt einfach alles zeichnen, was Sie wollen!!" Auf der Karikatur sind zwei kopulierende Schweine zu sehen, mit den Köpfen von Angela Merkel und Franz Müntefering.

Was ist bloß böse oder taktlos, was diskriminierend oder gar verboten? Stuttmann musste ein drastisches Motiv wählen, um zu verdeutlichen: Auch wir im Westen haben Grenzen, eine besteht in der Devise, Menschen nicht als Tiere abzubilden. Sie gilt selbst dann, wenn die Abbildung nur ein Zitat ist. Andererseits belegt die Konsequenz, Stuttmanns Karikatur nicht abzudrucken, wie recht er mit ihr hatte. Fürwahr, ein Dilemma.

Was tun mit einem Wissenschaftler, der sich als Vorkämpfer für die Redefreiheit begreift, politische Korrektheit als „kulturellen Marxismus“ kritisiert, Studenten als „social justice warriors“ (Kämpfer für soziale Gerechtigkeit) bezeichnet, Minderheitenschutz und Gleichstellungsinitiativen als Formen einer Identitätspolitik kritisiert, die das Fundament der westlichen Zivilisation untergraben sollen?

„Ich bin ein stolzer Islamophobiker", steht auf dem T-Shirt des Fans

Jordan Peterson, ein kanadischer Psychologe, Kulturkritiker und Bestsellerautor, inszeniert sich als Tabubrecher. Seit mehr als zwanzig Jahren lehrt er an der University of Toronto, im Zentrum seiner Forschungen steht die Psychologie des religiösen und ideologischen Glaubens. Seine wissenschaftliche Expertise ist unbestritten. Nun wollte ihn die Fakultät für Theologie an der Universität Cambridge als Gastdozent gewinnen.

Doch dann tauchte in den sozialen Medien ein Foto auf, das Peterson mit einem Fan zeigt, der ein schwarzes T-Shirt trägt, worauf steht: „Ich bin ein stolzer Islamophobiker.“ Das Foto war vor einem Monat bei einer Lesereise entstanden. Peterson sagt, das Bild sei eines von 30.000, auf denen er in den letzten 15 Monaten mit einem Anhänger posiert habe.

Aufgenommen worden war das Foto allerdings in Neuseeland. Bekannt wurde es kurz nach dem islamfeindlichen Terroranschlag von Christchurch. Prompt wurde Peterson von Cambridge wieder ausgeladen, neuseeländische Buchhandlungen nahmen seinen jüngsten Bestseller „12 Rules for Life“ aus den Regalen.

Peterson ist ein Influencer, auf Youtube folgen ihm Millionen, ein Kolumnist der „New York Times“ hält ihn für einen der „derzeit einflussreichsten Intellektuellen der westlichen Welt“, die globale Rechte verehrt ihn. Der Effekt der Kontroverse ist daher absehbar: Wer mit Petersons Thesen über eine ausufernde politische Korrektheit sympathisiert, sieht sich bestätigt, wer sie ablehnt, ebenfalls. Eine von Petersons zwölf Lebensregeln lautet: Gehe stets davon aus, dass dein Gesprächspartner etwas weiß, das du nicht weißt. Zumindest die sollten Anhänger wie Gegner beherzigen.

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